1. Allgemeines
Das Institut der Vorteilsanrechnung bzw des Vorteilsausgleiches trägt dem Gedanken der Gewinnabwehr Rechnung. Dies bedeutet, dass der Geschädigte durch ein schädigendes Ereignis nicht besser gestellt werden soll, als er ohne das schädigende Ereignis stehen würde.
Es gibt keine Stelle im Gesetz, in der die Vorteilsanrechnung ausdrücklich geregelt ist. Je nach Autor bzw Kommentar findet man Erläuterungen unter § 1312 Satz 2 ABGB, §§ 1323f ABGB sowie auch unter § 1295 ABGB. Doch eigentlich bedarf es keiner eigenen gesetzlichen Bestimmung, die die Vorteilsanrechnung regelt. Das österreichische Schadenersatzrecht dient dazu, dem Geschädigten die Möglichkeit zu geben, den gesamten durch das schädigende Ereignis entstandenen Schaden zu ersetzen, aber eben auch nur diesen und nicht mehr.1
Eine derartige Anrechnung aller durch das Schadensereignis verursachten Vorteile ergibt sich zwangsläufig auch durch die der Schadensberechnung im österreichischen Recht zugrundeliegenden Differenzmethode. Denn wenn zwecks Ermittlung des Schadens der hypothetische Vermögensstand ohne schädigendes Ereignis mit dem tatsächlichen nach dem schädigenden Ereignis verglichen wird, ist die Differenz selbstverständlich auch davon abhängig, ob der Geschädigte Vorteile gerade durch das schädigende Ereignis erlangt hat.2
2. Voraussetzungen
Die Lehre und die Rechtsprechung haben daher die Kriterien eines Vorteilsausgleiches heraus gearbeitet. Dies geschah immer unter dem Gesichtspunkt, dass ein Interessenausgleich zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten hergestellt werden soll. Dies ist auch konsequent, da die Anrechnung doch dem Zweck des Schadenersatzes entsprechen soll und nicht zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers führen darf.
Grundvoraussetzung für eine jede Vorteilsanrechnung ist das Vorliegen der Kausalität des haftbarmachenden Ereignisses, sowohl für den Nachteil als auch für den entstandenen Vorteil.3 Die Kausalität kann jedoch nicht einzige Voraussetzung einer Vorteilsanrechnung sein, da die Anrechnung sämtlicher Vorteile, für die das haftbarmachende Ereignis eine conditio sine qua non bildet, zu unangemessenen Ergebnissen hinsichtlich der Entlastung des Schädigers führt.4
Sowohl der OGH als auch die Lehre vertreten daher die Auffassung, dass des Weiteren zu prüfen ist, ob der entstandene Vorteil in einem besonderen Zusammenhang zu dem schädigenden Ereignis steht.5 Das haftungsbegründende Verhalten des Schädigers muss mit dem Nachteil zugleich auch Vorteile bei dem Geschädigten auslösen.6 Es wird durch die Rechtsprechung betont, dass dies zwar nicht bedeutet, dass Vor- und Nachteil im selben Ereignis wurzeln müssen. Um eine sogenannte sachliche Kongruenz zu bejahen, müssen diese ihre Wurzeln aber im selben Tatsachenkomplex haben.7 Andererseits besteht der OGH auch auf das Vorliegen einer zeitlichen Kongruenz. Es ist auf jeden Fall eine zeitliche Nähe des anzurechnenden Vorteils zu dem schädigenden Ereignis für die Vorteilsanrechnung Voraussetzung.8 Eine klare Definition hierzu gibt es jedoch nicht.
Aufgrund dieser Kriterien, die einen sehr weiten Interpretationsspielraum lassen, muss es letztlich immer eine wertende Entscheidung im Einzelfall bleiben, ob eine Vorteilsanrechnung statt zu finden hat oder nicht.
Den Schädiger trifft im Verfahren die Behauptungs- und Beweislast für den dem Geschädigten entstandenen Vorteil. Dies bedeutet, dass der Schädiger genaues Vorbringen zu dem entstandenen Vorteil, der Kausalität sowie der sachlichen und zeitliches Kongruenz erstatten muss. Andernfalls ist der Vorteil nicht vom Gericht zu berücksichtigen.
3. Zuwendung durch einen Dritten
Die Lehre geht bei der Frage, ob Leistungen eines Dritten, die dieser angesichts eines schädigenden Ereignisses erbringt, als Vorteil anzurechnen sind, von einer teleologischen Betrachtungsweise aus. Dies bedeutet, dass in solchen Fällen in denen Kausalität, sachliche und zeitliche Kongruenz bejaht worden sind, zu fragen ist, ob auch der Schädiger durch die Zuwendung des Dritten begünstigt werden sollte bzw der Schaden durch die Zuwendung der dritten Seite aus der Welt geschafft werden sollte.
Es ist in der Regel so, dass Leistungen eines Dritten ausschließlich den Geschädigten begünstigen, nicht aber den Schädiger, entlasten sollen. Aus diesem Grund wird in der Lehre auch einheitlich die Ansicht vertreten, dass solche Leistungen nicht als Vorteil des Geschädigten zu berücksichtigen sind.
Die Rechtsprechung ist in diesem Punkt hingegen sehr kasuistisch. Eine Anrechnung als Vorteil soll im Falle der Bejahung der Kausalität, der sachlichen sowie zeitlichen Kongruenz, nach der Rechtsprechung immer dann erfolgen, wenn eine Leistung aufgrund der Schädigung automatisch erbracht wird. Hier ist es nicht entscheidend, ob dies durch „Vertrag oder Gesetz“ geschieht. Dies ist nach der Rechtsprechung insbesondere bei nicht freiwillig geleistetem Krankengeld, bei staatlichen Pensionsbezügen, bei Firmenpensionen, bei freiwilligen Leistungen des Sozialversicherers oder bei Erbschaftsunterhaltsansprüchen der Fall. Die wertenden Entscheidungen des OGH haben ebenfalls ergeben, dass die Leistungen einer Lebensversicherung, die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung oder die freiwilligen Krankengeldzahlungen des Dienstgebers nicht als Vorteil anzurechnen sind.
Es ist eine Tendenz zu erkennen, dass der OGH mittlerweile beginnt, der überwiegenden Lehre zu folgen und auf den Zweck der Leistung abzustellen. Es handelt sich hier jedoch noch keineswegs um eine gefestigte Rechtsprechung.
1 Reischauer in Rummel, ABGB II/ 2b3 § 1312 Rz 2.
2 Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz 10/33.
3 RIS-Justiz RS0118820; OGH vom 13.1.2004, 7 Ob 174/12g; Reischauer in Rummel, ABGB II/ 2b3
§ 1312 Rz 3.
4 Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz 10/35.
5 RIS-Justiz RS0022824.
6 OGH vom 28.2.2012, 7 Ob 8/12w.
7 OGH vom 13.6.2012, 2 Ob 50/12k; RS0022824. OGH vom 30.3.2011, 9 Ob 51/10f. Sachliche Kongruenz ist gegeben, wenn zwei Handlungen darauf abzielen denselben Schaden zu decken. OGH vom 21.4.2005,
2 Ob 269/04d; OGH vom 6.3.2001, 10 Ob 31/00g, Reischauer in Rummel, ABGB II/ 2b3 §1312 Rz 3a.
8 OGH vom 30.3.2011, 9 Ob 51/10f; Kodek in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.01 § 1295 Rz 43.