In den USA sind bereits über 200 Sammelklagen gegen VW eingereicht worden.
Es hat nur wenige Stunden nach Enthüllung des Abgasskandals gebraucht, als in den USA die ersten Sammelklagen gegen den VW-Konzern erhoben worden sind. Derartige Sammelklagen („Class Actions“) sind in den Vereinigten Staaten seit vielen Jahren möglich und sollen für gleichgeartete Sachverhalte eine einfache Rechtsdurchsetzung erwirken. Bei der Einbringung der Klage sind zwar einige Kläger als tatsächlich Geschädigte anzuführen, die Wirkung der Klage gilt jedoch für sämtliche Personen die von demselben Sachverhalt wie die Kläger betroffen sind. Damit werden in einer Klage oft hunderte oder tausende gleichgeartete Schadensansprüche von Klägern verfolgt. Durch den entsprechenden Multiplikator sind die Gesamtforderungen meist sehr hoch und das entsprechende Echo in den Medien wird überall gehört. Die Amerikaner beharren auf dem Vorteil derartiger Sammelklagen, da dem einzelnen Geschädigten oft keine Möglichkeit bleibt, im teuren amerikanischen Justizsystem seine Rechte durchzusetzen. Erst durch die Bündelung der Interessen der Konsumenten könnte den Unternehmen gegen ihr Fehlverhalten Einhalt geboten werden.
Die Europäische Kommission hat sich im Jahr 2013 extensiv mit einer Einführung von Sammelklagen beschäftigt. Formal hat die Europäische Kommission die Empfehlung abgegeben, in der Europäischen Union eine sogenannte Gruppenklage für bestimmte Rechtsgebiete einzuführen. (COM [2013] 3539). In der weitergehenden Diskussion traten in Europa rechtspolitische und auch juristische Bedenken gegen die Einführung einer derartigen Gruppenklage auf. Aus juristischer Sicht ist anzumerken, dass in einer Gruppenklage der einzelne Kläger von einer aktiven Teilnahme am Verfahren ausgeschlossen wird und sich auch einem von den Vertretern der Sammelklage abgeschlossenen Vergleich grundsätzlich unterwerfen muss. Dies ist ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlich bestehenden Anspruch auf ein rechtliches Gehör, jedes einzelnen Klägers vor Gericht. Darüber hinaus wird aus rechtspolitischer Sicht in einem solchen Massenverfahren in der Regel ein großer publizistischer Druck auf ein Unternehmen aufgebaut, das die Wahrheitsfindung selbst durchaus erschweren kann. Tatsächlich werden bei Sammelklagen auch oft Vergleiche geschlossen, die nicht immer aus einer juristischen Sicht gerechtfertigt sind, sondern eher im Bestreben eines Unternehmens liegen, ein medial groß aufgeblähtes Sammelverfahren zu beenden.
Aufgrund des VW Skandals wird die Diskussion über ein Gruppenverfahren auch in Europa wieder geführt. Während ein amerikanisches Sammelverfahren ohne aktiver Beteiligung sämtlicher Kläger in Europa schwer vorstellbar ist, sollte der Gedanke eines Musterverfahrens nicht von vornherein verworfen werden: Bei einer hohen Anzahl von gleich gelagerten Sachverhalten ist es ökonomisch unsinnig, für jeden Kläger ein gesondertes Gerichtsverfahren abführen zu müssen. Es könnte durchaus zu einer Überforderung der Gerichte kommen, wenn etwa alle der Millionen Besitzer von VW Dieselfahrzeugen nunmehr ihren Schaden bei Gericht einklagen. Und einen solchen Schaden haben Besitzer von VW Dieselfahrzeugen allemal, denn wenn schon nicht aufgrund der Beteiligung an der Umweltverschmutzung, so doch zumindest bei der Beurteilung des Wiederverkaufswertes ihres Fahrzeuges. Denn wer will heute noch zu teurem Preis einen über alle Grenzwerte hinaus schadstoffausstoßenden VW Diesel kaufen.