Die neue Regierung hat es sich natürlich nicht zu Unrecht auch zur Aufgabe gemacht, alte österreichische Gesetze zu durchforsten und so manche kuriosen Vorschriften gegebenenfalls aufzuheben. Eines davon ist wohl das im Jahre 1897 in Kraft getretene Tiroler Grundbuchsanlegungsreichsgesetz (RGBl 1897/77: TirGARG), wonach grundsätzlich das in der österreichischen Monarchie bereits zuvor bestandene Grundbuchsrecht auch in Tirol eingeführt wurde. Abweichend von den Grundsätzen des damals schon rund 100 Jahre bestandenen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches haben die Tiroler jedoch durchgesetzt, dass das in der Tiroler Landwirtschaft bis dahin offenbar vorkommende Sonderrecht an Bäumen weiter bestehen bleibt. Nach Art III des TirGARG können Bäume weiterhin selbständige Vermögensobjekte darstellen, die nicht im Eigentum des Liegenschaftseigentümers stehen müssen. Voraussetzung ist jedoch, dass ein konkretes Recht an einem oder mehreren Bäumen schon vor Anlegung des Grundbuches in der jeweiligen Gemeinde begründet wurde – eine Neubegründung nach Einführung des Grundbuches war und ist daher nicht möglich. In der Vergangenheit waren insbesondere Obstbäume von diesem Sonderrecht betroffen, die unabhängig von dem Liegenschaftseigentümer von einem „Eigentümer“ der Bäume als Sonderrecht bewirtschaftet werden können.
Das nach Art III des TirGARG bestehende Sonderrecht an Bäumen sieht weiters vor, dass auch nach dem Absterben eines Baumes der quasi Eigentümer des Baumes diesen nachpflanzen und weiterhin die wirtschaftliche Nutzung des Baumes in Anspruch nehmen kann. In einer jüngsten Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof nunmehr bestätigt (10 Ob 10/18w vom 20.02.2018), dass ein aufgrund des im 19. Jahrhundert erlassenen TirGARG eingeräumte Sonderrecht an Bäumen auch heute noch bestehen kann, wenn der Eigentümer an den Bäumen regelmäßig eine Nachpflanzung unter Hinweis auf das Sonderrecht an den Bäumen vorgenommen hat. In dem vom Obersten Gerichthof zu beurteilenden Fall wurden von den Beklagten zwei Obstbäume im Jahr 2015 dort neu gepflanzt, wo die bisherigen Bäume mit Sonderrechte gestanden haben und beantragt, dass diese zwei Obstbäume als Sonderrecht im Grundbuch vermerkt werden. Der Kläger verwies auf eine im Jahr 1958 durchgeführte Grundbuchseintragung, wonach das betroffene Grundstück, auf dem sich die Bäume mit Sonderrechten befinden, lastenfrei abgeschrieben worden sei. In seiner Entscheidung führte der Oberste Gerichtshof aus, dass das TirGARG nach wie vor weiter in Geltung ist und auch in dem im Jahr 1999 von der damaligen Regierung durchgeführten ersten Bundesrechtsbereinigungsgesetz explizit angeführt worden ist. Eine vom Kläger monierte Abschreibung eines Teilstückes ohne Sonderrechte im Grundbuch kann das Sonderrecht an Bäumen nicht vernichten. Das Baumeigentum ist keines der Eintragung unterliegendes dingliches Recht, sondern gilt als Eigentum an einer unbeweglichen Sache, wobei dieses Recht gerade nicht der Eintragung im Grundbuch unterliegt. Aus diesem Grund besteht unabhängig einer grundbücherlichen Eigentumseintragung das Sonderrecht an den Bäumen und damit das Baumeigentum des Beklagten nach wie vor fort.
Die neue Regierung wird zu überlegen haben, ob – ähnlich wie im ersten Bundesrechtsbereinigungsgesetz im Jahr 1999 – das in Tirol nach wie vor bestehende Baumeigentum beibehalten wird, oder eine Regelung herbeigeführt wird, wonach das Eigentumsrecht einer Liegenschaft im Grundbuch vollständig ersichtlich ist. In der heutigen technologischen Zeit wäre es zumindest wünschenswert, dass das Grundbuch einen umfassenden Einblick in die Rechte gibt, die Eigentümer an einer Liegenschaft geltend machen können.