Die österreichische Privatstiftung ist als juristische Person ein eigenständiger Träger von Rechten und Pflichten, der durch den Stiftungsvorstand verwaltet wird. Der Stiftungsvorstand hat den vom Stifter vorgegebenen Zweck bestmöglich zu erfüllen und darf nicht aus Begünstigten bestehen. Bei privatnützigen Stiftungen beschränkt sich der Stiftungszweck zumeist auf die Versorgung der Begünstigten und auf den Vermögenserhalt innerhalb der Stiftung. Das auf die Stiftung übertragene Vermögen gehört zwar rechtlich nicht mehr dem Stifter, doch kann sich der Stifter eine Reihe von Einflussrechten, wie etwa Änderungs- und Widerrufsrechte, Bestellungsrechte oder bestimmte Weisungsrechte gegenüber dem Stiftungsvorstand vorbehalten oder ausüben. Wichtige dem Stifter gegenüber dem Stiftungsvorstand zustehende Einflussrechte, wie das Recht zum Widerruf der Stiftung, sind höchstpersönlicher Natur und nach dem Ableben des Stifters führt dies in aller Regel zu einer Stärkung der „diskretionären Gewalt“ des Stiftungsvorstands und damit zu einer Verfestigung des Stiftungsvermögens. Die Begünstigten zählen in den meisten Fällen zu den nahen Angehörigen und sind daher im Regelfall auch die Rechtsnachfolger des Stifters. Da eine Reihe von Stifterrechten als höchstpersönliche Rechte behandelt werden, sind diese keine vererbbaren Vermögensrechte und gehen daher nach dem Ableben des Stifters nicht auf die Erben des Stifters oder die Begünstigten der Stiftung über. Ohne Stiftung wären die Begünstigten als Rechtsnachfolger Herr ihres ansonst ererbten Vermögens.
Um die Stifterrechte so lange wie möglich zu erhalten, werden die Begünstigten der Stiftung häufig in der Stiftungsurkunde auch als Stifter geführt. Nach der notariellen Errichtung der Stiftung können jedoch keine weiteren Begünstigten mehr als Stifter mit aufgenommen werden. Der Gesetzgeber gleicht dies unter anderem dadurch aus, dass er dem Stifter die Einsetzung eines aufsichtsratsähnlichen Beirats ermöglicht. Diesem Beirat können kontrollierende und bis zu einem bestimmten Grad auch weisungsgebende Funktionen zukommen. Sofern der Aufsichtsrat einer Stiftung nun „aufsichtsratsähnlich ist, d.h. dem Beirat im Wesentlichen die Aufgaben eines Aufsichtsrates zukommt, darf dieser ebenso wie der Aufsichtsrat nach § 23 Abs 2 PSG nicht mehrheitlich aus Begünstigten bestehen. Der Wirkungskreis des Beirats wird durch die Judikatur des Obersten Gerichtshofs zunehmend konkretisiert, da der Tod des Stifters in der Praxis oft zu einem „Ausloten der Befugnisse“ im Verhältnis zwischen Stiftungsvorstand und Begünstigten führt. Der OGH hat in seiner jüngsten Rechtssprechung insbesondere dazu Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen der Beirat als „aufsichtsratsähnlich“ anzusehen ist (OGH 6 Ob 42/09h) und ob Berater der Begünstigten (Anwälte, Steuerberater, etc) in den Stiftungsvorstand bestellt werden können (OGH 6 Ob 145/09f).
2. Aufsichtsratähnlicher Beirat?
In seiner Entscheidung 6 Ob 42/09h hat der OGH über einen Fall entschieden, bei dem einer Stiftung ein Beirat beigegeben war, der nur aus einer Person bestand, die gleichzeitig auch Stifter und Begünstigter war. Dem Beirat waren in der Stiftungsurkunde weitreichende Kontroll- und Einflussrechte vorbehalten. So hat der OGH ausgesprochen, dass das Kriterium der „Aufsichtsratsähnlichkeit“ danach zu beurteilen ist, welche Kompetenzen dem Beirat zukommen. Sofern daher eine Abberufung von Vorstandsmitgliedern aus wichtigen Gründen möglich ist, die nicht unbedingt mit den Abberufungsgründen des § 75 Abs 4 AktG übereinstimmen müssen, so ist die Aufsichtsratsähnlichkeit im Regelfall gegeben und der Beirat darf nicht mehrheitlich mit Begünstigten der Stiftung besetzt werden.
Nach den Gesetzesmaterialien gibt es die Möglichkeit, dass dem Stiftungsbeirat bis zu einem gewissen Grad weisungsgebende und kontrollierende Funktionen zuerteilt werden können. So können beispielsweise die Zustimmung bestimmter Geschäfte, wie die Verpfändung oder Belastung von Stiftungsvermögen oder die Ernennung neuer Stiftungsvorstandsmitglieder, an die Zustimmung des Beirats gekoppelt werden. Der OGH hat in diesem Zusammenhang jedoch festgehalten, dass der Beirat eben nicht mehrheitlich aus Begünstigten besetzt werden darf, sofern der Beirat die Mitglieder des Vorstands bestellt und sie bei Vorliegen „wichtiger" Gründe wieder abberufen oder die Abberufung eines Vorstandsmitglieds durch die beiden anderen Vorstandsmitglieder verhindern kann. Sofern schließlich dem Beirat neben weitreichenden Kontrollmöglichkeiten des Vorstands einschließlich eines bestimmten Weisungsrechts gegenüber dem Stiftungsprüfer weitere Zustimmungsrechte bei der Verwaltung des Stiftungsvermögens durch den Stiftungsvorstand zukommen und ein Recht zur Bestimmung der Begünstigten sowie des Umfangs der an diese zu erbringenden Leistungen zusteht, ist der nur „gewisse Grad der Einflussnahme“ nach Ansicht des OGH ebenfalls überschritten.
Grundsätzlich wäre eine Stärkung der Rechtsposition der Begünstigten sinnvoll, wenn dies auch dem Willen des Stifters entspricht (Primat des Stifterwillens). Nach dem Wegfall der Erbschafts- und Schenkungssteuer ist ein gutes Argument für die Wahl einer Stiftung weggefallen. Laufende Ertragssteuerliche Privilegierungen bestehen bei anderen juristischen Personen, wenn auch in geringerem Ausmaße, genauso. Es ist schwer nachvollziehbar, warum die Begünstigten als Rechtsnachfolger des Stifters aufgrund einer steuerlichen Privilegierung, die schon bei Lebzeiten bestanden hat (laufende steuerliche Privilegierung), schlechter gestellt werden sollen, als die Erben im Erbgang als Gesamtrechtsnachfolger. Die steuerrechtliche Privilegierung der Privatstiftung hat hintergründig den Zweck, Vermögensabflüsse in das steuerbegünstigte Ausland, z.B. nach Liechtenstein, zu verhindern. Das Trennungsprinzip kann bei der privatnützigen Stiftung nie in voller Ausprägung verwirklicht sein, da der Wille auf Begebung des Vermögens beim Stifter einer solchen Stiftung im Vergleich zum Begebungswillen des Stifters einer gemeinnützigen Stiftung ein anderer ist.
3. Unvereinbarkeit von Vertretung des Begünstigten und Mitgliedschaft im Stiftungsvorstand
In einer anderen aktuellen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH 6 Ob 145/09f) wurde ausgesprochen, dass berufsmäßige Vertreter der Begünstigten (In der Praxis häufig Anwälte und Steuerberater) nicht Mitglieder des Stiftungsvorstands sein dürfen, sofern ein aufrechtes Vollmachtsverhältnis vorliegt. Die Unvereinbarkeitsregelung des § 15 Abs 2 PSG sieht vor, dass Begünstigte und bestimmte nahe Angehörige nicht Mitglieder des Stiftungsvorstands sein dürfen. Die Intention des Gesetzgebers ist damit folglich, die Begünstigten der Privatstiftung von der Leitung und Vertretung der Stiftung auszuschließen. Durch diese Unvereinbarkeitsbestimmung wird die Objektivität des Stiftungsvorstands bei der Vollziehung der Ausschüttungen an Begünstigte gewährleistet, sowie die kollidierenden Interessen der Begünstigten an Leistungen aus dem Stiftungsvermögen einerseits und der Vollziehung des Stifterwillens durch den Stiftungsvorstand andererseits miteinander in Einklang gebracht. Die Wahrung der Objektivität des Stiftungsvorstands dient nach Ansicht des OGH zusätzlich auch dem Schutz allfälliger Gläubiger und des sonstigen Rechtsverkehrs. Als weiteren Grund nennt der OGH die Vermeidung von Streitigkeiten zwischen mehreren Begünstigten.
Die nunmehr vom OGH abgeleitete „ratio“ dieser Bestimmung des § 15 Abs 2 PSG erfordert es, die Unvereinbarkeit auch auf Vertreter (Anwälte und Steuerberater) der Begünstigten zu erstrecken, könnte doch andernfalls die Regelung über die Unvereinbarkeit zwischen Begünstigtenstellung und Vorstandsmandat nach § 15 Abs 2 und 3 PSG leicht umgangen werden. Diese Unvereinbarkeit soll zukünftig jedenfalls auch auf Vertreter der Begünstigten erstreckt werden, wofern ein aufrechtes Vollmachtsverhältnis zwischen Begünstigten und seinem Berater besteht. Hingegen ist nach Ansicht des OGH eine frühere abgeschlossene Tätigkeit als Berater unschädlich, soweit nicht in besonderen Ausnahmefällen, etwa wegen des außergewöhnlichen Umfangs der Vertretung und des bezogenen Honorars der Anschein entstehen könnte, der betreffende Organwalter sei bei der Ausübung seines Amts als Mitglied des Stiftungsvorstands nicht mehr unvoreingenommen. In diesem Fall kann das Gericht das betreffende Organmitglied auch abberufen.
Diese Judikatur widerspricht dem Wortlaut des Gesetzes und eine massive Trennung zwischen Stifter, Stiftungsvermögen oder Begünstigten, die im Regelfall die Rechtsnachfolger des Stifters sind, macht die österreichische Privatstiftung zunehmend unpraktikabel. Da viele Stifter zugleich Begünstigte der Stiftung sind, werden Anwälte, die mit der Errichtung und Administration der Stiftung betraut sind, zukünftig aus dem Stiftungsvorstand ausgeschlossen. Die Bekleidung eines Vorstandsmandats in einer Privatstiftung neben der rechtlichen Vertretung eines Begünstigten ist nach der österreichischen Rechtsanwaltsordnung kein gesetzlich unzulässiger Fall der anwaltlichen Doppelvertretung. Eine erteilte Vollmacht verpflichtet den Anwalt zu gewissenhaftem und gesetzesmäßigem Handeln. Im Falle einer Interessenskollision ist der Anwalt daher verpflichtet, sein Vorstandsmandat in der Stiftung zurückzulegen oder sein Vollmachtsverhältnis zu kündigen.
Die anwaltliche Vertretung in einer bestimmten Angelegenheit bedeutet nicht automatisch eine generelle Stimmbindung oder Weisungsunterworfenheit. Ein Stimmrechtsausschluss wäre höchstens dann anzunehmen, wenn ein Begünstigter seinen Anwalt beauftragt, gegen die von ihm geleitete Stiftung vorzugehen. Die nunmehrige OGH – Entscheidung schränkt die verfassungsrechtlich gewährleistete Erwerbsfreiheit unverhältnismäßig ein. Im Falle einer Interessenskollision steht als probater Rechtsbehelf ein Antragsrecht auf gerichtliche Abberufung des Vorstandsmitglieds zur Wahrung des Stiftungszwecks zu. Weiters schützt die Ausschüttungssperre Gläubiger bei sonstiger persönlicher Haftung der Vorstandsmitglieder ausreichend, sofern die Stiftung Forderungen Dritter nicht erfüllen kann. Die vorliegende Entscheidung lässt derzeit viele Fragen, wie etwa die zukünftige Handhabung durch das Firmenbuch oder die Gültigkeit von Beschlüssen nunmehr unrichtig besetzter Stiftungsvorstände, weithin offen und führt zu Rechtsunsicherheit.
Es ist zu erwarten, dass Anwälte und Steuerberater weiterhin unverändert Stiftungsvorstandsmitglieder stellen und es wird in vielen Fällen geprüft werden, ob die Berufung und Anwendung der aktuellen stiftungsrechtlichen Judikatur zwischen den Stiftungsbeteiligten nicht im Vorfeld beeinflusst werden kann; beispielsweise mit einer Pönalisierung in einer anderen Jurisdiktion. Der OGH gesteht dabei selber zu, dass im Rahmen der Entscheidung über die Abberufung von Vorstandsmitgliedern nach § 27 Abs 1 und 2 PSG letztlich immer auch eine Prognoseentscheidung vorzunehmen ist. Mit der aktuellen Entscheidung über die Ausweitung der Unvereinbarkeit auf Vertreter der Begünstigten bringt sich der OGH jedoch selber um die Erwägung aller Umstände des tatsächlichen Lebenssachverhalts und daher um eine Entscheidung im Einzelfall. Vielmehr erfordert die „Verselbständigung" des Vermögens, die fehlende Kontrolle durch Eigentümer und das Nichtvorhandensein von Gesellschaftern - sowohl im öffentlichen Interesse als auch im Interesse der Privatstiftung selbst - eine funktionsfähige Organisation und deren effiziente Kontrolle, um die Gefahr von Missbrauch oder Schädigung hintanzuhalten und um die Erfüllung des Stifterwillens zu gewährleisten.
Dr Christoph Kerres, LL.M (Georgetown) ist Gründungspartner und Mag Florian Pröll Rechtsanwaltsanwärter bei Kerres Partners.
Dr Christoph Kerres, LL.M ist als Anwalt in den Bereichen des Wirtschaftsrechts und Stiftungsrechts in Wien führend tätig. Er ist Vortragender und Autor mehrerer anerkannter stiftungsrechtlicher Publikationen, sowie Vorstandsmitglied von zahlreichen privat- und gemeinnützigen Stiftungen.