Der europäische Gerichtshof hat in einer Grundsatzentscheidung dargelegt, dass Flugpassagiere auch dann eine Entschädigung verlangen können, wenn es zu größeren Verspätungen kommt. Wenn ein Flugzeug drei Stunden oder mehr zu spät am Ziel ankommt, haben die Reisenden zum Ausgleich einen Anspruch auf eine Pauschalzahlung. Mit dieser Entscheidung bestätigte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag in Luxemburg ein früheres Urteil von vor drei Jahren im Fall „Sturgeon“. Eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2004 schreibt den Fluggesellschaften eine entfernungsabhängige Entschädigung von 250 Euro bis 600 Euro vor, wenn ein Flug gestrichen wird. Die Europa-Richter leiten daraus her, dass dies wegen des Gleichbehandlungsgebots auch für Verspätungen gelten müsse. Denn die Fluggäste müssten dann ähnliche Unannehmlichkeiten hinnehmen, etwa den Zeitverlust.
Das neue Urteil betrifft zwei Klagen. Eine davon hatte ein Deutscher im Jahr 2008 eingereicht, weil sein Flug von Lagos nach Frankfurt einen ganzen Tag Verspätung hatte. Das Amtsgericht Köln setzte sein Verfahren daraufhin aus, weil es das Luxemburger Urteil im Fall „Sturgeon“ abwarten wollte, hatte anschließend aber immer noch Zweifel an der Rechtslage. Die andere Klage – unter anderen des Touristikkonzerns TUI, von British Airways und Easyjet – richtete sich gegen die britische Luftfahrtbehörde. Dabei ging es unter anderem um die Behandlung älterer Rechtsstreitigkeiten.
Die Europa-Richter stellten nun klar, dass ihr früheres Urteil auch rückwirkend gelte. Dessen Wirkungen seien „zeitlich nicht begrenzt“, gaben sie bekannt. Allerdings unterstrichen sie, dass es – wie in der Brüsseler Direktive vorgesehen – Ausnahmen von der Entschädigungspflicht gibt. Ein Ausgleichsanspruch entfällt demnach, wenn die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht. Das Luftfahrtunternehmen muss dann nachweisen, dass sich die Unpünktlichkeit nicht mit „zumutbaren Maßnahmen“ hätte vermeiden lassen (Az.: C-581/10 und C-629/10).
Bereits kürzlich hatten die EU-Richter Verbrauchern in diesem Punkt den Rücken gestärkt. Sie schrieben fest, dass Fluglinien auch dann eine Entschädigung zahlen müssen, wenn sie Kunden als Spätfolge eines Streiks auf einen anderen Flug umbuchen müssen. Das gilt ebenso, wenn eine Fluggesellschaft Passagiere auf einen deutlich späteren Anschlussflug verweist, obwohl die Kunden den Flugsteig rechtzeitig erreichten (Az.: C-321/11 und C-22/11).