Investorenschutz nach dem TTIP
Investorenschutz nach dem TTIP
Europa verhandelt derzeit mit den USA den Abschluss des viel beachteten Abkommens zur Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft („TTIP“). Ein Streitpunkt in diesem Abkommen ist die vorgesehene Schiedsklausel, nach der auch ein privater Investor aus einem Abkommensland Klagen gegen das andere Abkommensland richten kann, wenn sich das die Investition getätigte Unternehmen aufgrund einer staatlichen Maßnahme in seinem Geschäftsfortgang geschädigt ansieht. Die entsprechende Klausel im TTIP sieht vor, dass sich ein solcher Investor unter Umgehung des staatlichen Rechtsweges eines Abkommenslandes direkt an eine außergerichtliche Schiedsstelle wendet und den betroffenen Staat auf Entschädigung klagen kann. Ursprünglich hat eine solche in vielen Abkommen enthaltene Investorenschutzklausel einen Unternehmer vor einer unrechtmäßigen Enteignung durch den Staat schützen sollen. Für einen derartigen Schutz vor einer Enteignung war die Einrichtung eines Schiedsgerichtes naheliegend, das außerhalb des vom betroffenen Staat möglicherweise kontrollierten Rechtssystems entscheiden kann. Solche den Investor eines Abkommenslandes schützende Klauseln werden im Allgemeinen auch als Investor State Dispute Settlement („ISDS“) – Regelungen bezeichnet.
In der Praxis versuchen Unternehmen vermehrt unter Berufung auf diese in vielen bilateralen Abkommen enthaltenen ISDS-Klauseln von jenen Staaten Entschädigungen zu erhalten, in denen sie unternehmerisch tätig sein wollen. Alleine seit dem Jahre 2000 wurden mehr als 60 derartige Klagen unter Berufung auf eine ISDS-Klausel eingebracht, die sämtliche vor nach den jeweiligen Abkommen international zusammengesetzten Schiedsgerichten verhandelt werden. Das Spektrum dieser Klagen beinhaltet heute zumeist nicht mehr eine behauptete Enteignung des investierten Kapitals, sondern eine Behinderung an dem unternehmerischen Fortkommen des Investors. Die Unternehmen argumentieren zumeist, dass gesetzliche Maßnahmen des Abkommenslandes das investierende Unternehmen daran hindert, ausreichende Gewinne zu erzielen und damit genügend hohe Renditen für das eingesetzte Kapital zu erwirtschaften. Eine derartige Behinderung an der möglichen Erzielung von Gewinnen steht nach der Argumentation der Kläger einer faktischen Enteigung des eingesetzten Kapitals gleich.
So greift etwa der Energiekonzern Vattenfall derzeit Deutschland wegen seiner Energiewende an und bringt im Schiedsverfahren vor, aufgrund von den traditionellen Energiesektor benachteiligenden Bestimmungen und die erneuerbare Energie steuerrechtlich bevorzugenden Gesetze selbst unerwartet geringe Profite zuvor getätigten Investitionen zu ziehen. Ähnlich attackiert der Tabakriese Philip Morris die australische Regierung, da diese nach Ansicht des Zigarettenherstellers ungerechtfertigt plakative Warnhinweise auf den Zigarettenpackungen gesetzlich eingeführt hat, was nach Ansicht von Philip Morris den Verkauf von Zigaretten in Australien unzulässiger Weise einschränkt. Der Pharmagigant Eli Lilly verklagt Kanada wegen der beschlossenen kostendämpfenden Patentrechtsreform, die nach Ansicht des Pharmakonzerns das wirtschaftliche Fortkommen und die mögliche Profitabilität der von Eli Lilly getätigten Investitionen in Kanada mindert. Gleichermaßen verklagt der Energiekonzert Lone Pine unter Anwendung einer ISDS-Klausel Kanada auf Entschädigung für wirtschaftlich nicht rentable Investitionen, da Kanada unlängst ein Moratorium gegen das Fracking von Gasvorkommen verhängt hat. Überhaupt ist Kanada ein großer Adressat von Klagen nach den ISDS-Klauseln, da mehrere amerikanische Unternehmen im Nachbarland Kanada investiert haben und aufgrund der sehr umweltfreundlichen Gesetzgebung Kanadas nunmehr Einbußen für ihre Investitionen speziell im Wasser-, Holz- oder Chemiebereich fürchten.
Die Globalisierung bringt mit sich, dass international tätige Konzerne weltweit investieren und in manchen Ländern aufgrund der lokalen Gesetzgebung Einbußen in ihren wirtschaftlichen Unternehmungen fürchten müssen. ISDS-Klauseln stellen in den angestrebten Schiedsverfahren derartige weltweit agierende Konzerne auf die gleiche Ebene mit den Nationalstaaten, was auch erhebliche politische Fragen aufwirft. In einem demokratisch organisierten Nationalstaat werden Gesetze regelmäßig aufgrund von gefundenen Mehrheiten im Parlament beschlossen und es ist fraglich, wieso ein Nationalstaat für die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen eines solchermaßen zustande gekommenen Gesetzes einem ausländischen Unternehmen Entschädigung zahlen soll. In Europa ist der Schutz des Eigentums regelmäßig verfassungsrechtlich verankert und es stellt sich die Frage, ob bereits eine etwa durch Umweltauflagen oder Gesundheitsregelungen geminderte Renditemöglichkeit für ausländische Investoren einen solchen unzulässigen Eingriff in das geschützte Eigentum des Investors darstellt. Die ursprüngliche Idee, in einem bilateralen Investitionsschutzabkommen die entschädigungslose Enteignung eines ausländischen Investors zu unterbinden, scheint heute weder für den Wirtschaftsraum der USA noch den der Europäischen Union zu gelten. In allen Mitgliedsstaaten der EU als auch in den USA ist der Schutz des Eigentums gesetzlich ausreichend fest verankert und eine entschädigungslose Enteignung eines ausländischen Investors politisch kaum denkbar. Es bleibt daher ein heikles politisches Thema, inwieweit ein Konflikt über die Minderung der geschäftlichen Erfolgsaussichten eines Unternehmens etwa aus Gründen der nationalen Umwelt- oder Gesundheitspolitik den politischen Entscheidungsprozessen der Nationalstaaten entzogen und statt dessen auf nach den ISDS-Klausel einzurichtenden Schiedsgerichte übertragen werden soll.
Für weitere Rechtsauskünfte steht Ihnen Herr Dr Kerres unter Tel +43 (1) 516 60 oder office@kerres.at zur Verfügung.
Sämtliche Informationen werden ausschließlich als öffentlicher Service zur Verfügung gestellt und begründen kein Mandanten- oder Beratungsverhältnis. Sie stellen ein Thema vor, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben und ersetzen nicht die individuelle, fachspezifische anwaltliche Beratung. Wenn Sie eine individuelle, fachspezifische anwaltliche Beratung erhalten wollen, kontaktieren Sie bitte Ihren Ansprechpartner bei KERRES I PARTNERS. Jegliche Haftung aufgrund der zur Verfügung gestellten Information ist explizit ausgeschlossen.