Amtszeiten bei elektronischen Eingaben!? VwGH Ra 2014/01/0198-8

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Verwaltungsgerichtshof

Amtszeiten bei elektronischen Eingaben!? VwGH Ra 2014/01/0198-8

Dienstag, 23 Februar, 2016

1. Einleitung

Wie bereits in der Presse umfassend berichtet wurde, hat der Verwaltungsgerichtshof mit Entscheidung vom 17. November 2015, Zl. Ra 2014/01/0198 ausgesprochen, dass auch elektronische Eingaben an das Bundesverwaltungsgericht innerhalb der Amtsstunden einlagen müssen, anderenfalls diese als verspätet zurückgewiesen werden können. Diese Regelung sei unter Hinweis auf § 13 Abs 5 AVG und der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 2014, G106/2013, weder verfassungswidrig, noch berechtige eine versehentlich nach dem Ende der Amtsstunden eingebrachte Revision zur Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nach § 46 VwGG. Diese Ansicht ist - wie in der Folge gezeigt werden wird - zumindest kritisch zu hinterfragen.

2. ​Anlassfall und gesetzliche Grundlagen

In der Entscheidung vom 17. November 2015, Zl. Ra 2014/01/0198 musste der Verwaltungsgerichtshof entscheiden, ob eine Revision gegen eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, welche am letzten Tag der nach § 26 Abs 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz geltenden sechswöchigen Frist, um 16:41 von einem Rechtsanwalt im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht wurde, als rechtzeitig eingebracht gilt. In der Folge werden die für die Beurteilung dieser Frage zu beachtenden Normen kurz dargestellt:

Nach § 25a Abs 5 Verwaltungsgerichtshofgesetz ist eine Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Gemäß § 13 Abs 5 AVG ist die Behörde nur während der Amtsstunden verpflichtet, schriftliche Anbringen entgegenzunehmen oder Empfangsgeräte empfangsbereit zu halten, und, außer bei Gefahr im Verzug, nur während der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit verpflichtet, mündliche oder telefonische Anbringen entgegenzunehmen. Die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit sind im Internet und an der Amtstafel bekanntzumachen.

Nach § 20 der Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichtes sind die Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichtshofes an jedem Arbeitstag, mit Ausnahme des Karfreitags, des 24. und des 31. Dezember, von 8:00 bis 15:00 Uhr. Schriftliche Anbringen können nur innerhalb der Amtsstunden physisch oder elektronisch am Sitz des Bundesverwaltungsgerichtes eingebracht werden. Schriftliche Anbringen, die nach Ablauf der Amtsstunden eingebracht werden, gelten erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages als eingebracht.

Nach § 33 Abs 3 AVG werden die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlagen bei dieser (Postlauf) in die Frist nicht eingerechnet.

3. Unterschiedlich lange Frist bei Einbringung eines Anbringens im elektronischen Rechtsverkehr bzw per Post

Einerseits hat der Verwaltungsgerichtshof nunmehr in der Eingangs dargestellten Entscheidung klargestellt, dass elektronische Anbringen am letzten Tag der dafür vorgesehenen Frist innerhalb der Amtsstunden bei der Behörde einlagen müssen, anderseits regelt § 33 Abs 3 AVG (das sogenannte Postlauf - Privileg), dass es für die Einhaltung der Frist genügt, wenn das Anbringen am letzten Tag der Frist bei der Post aufgegeben wird (wodurch es im Normalfall nicht an diesem Tag während der Amtsstunden bei der Behörde einlangt und somit ohne die Regelung des § 33 Abs 3 AVG verspätet wäre). Diesen Widerspruch hat auch der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 3. März 2014, G106/2013 behandelt, und ausgesprochen, dass es keinen Verstoß gegen Art 7 B-VG, den Gleichheitssatz, darstellt, wenn es bei schriftlichen Anbringen, die einem Zustelldienst zur Übermittlung an die Behörde übergeben werden, auf den Zeitpunkt des Einlangens bei der Behörde nicht ankommt, weil die Tage des Postlaufes nicht eingerechnet werden, bei der Einbringung eines Anbringens im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs aber schon. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes ist eine gesetzliche Unterscheidung zwischen postalischen Sendungen und elektronischen Sendungen gerechtfertigt. Eine überzeugende Begründung für diese Unterscheidung würde dabei in der zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes nicht aufgezeigt. 

4. Ungleiche Frist für berufsmäßige Parteienvertreter und nicht vertretene Parteien

Unterstellt man dem Gesetzgeber, dass dieser mit der Einführung der Möglichkeit der elektronischen Eingabe von Anbringen eigentliche eine Erleichterung für die rechtssuchende Bevölkerung erreichen wollte, ist die dargestellte Ansicht des Verfassungsgerichtshofes zumindest verwunderlich. Darüber hinaus kommt es aufgrund der dargestellten Regelung zu einer krassen Ungleichbehandlung zwischen Parteien, welche sich für die Erhebung eines Rechtsmittels im Verwaltungsverfahren eines berufsmäßigen Parteienvertreters bedienen und jener Parteien, welche ihr Anbringen (sofern dies überhaupt aufgrund der allenfalls bestehenden Anwaltspflicht möglich ist) selbst formulieren und der Behörde übermitteln.

§ 21 Abs 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes regelt nämlich, dass nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten Rechtsanwälte sowie Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet sind. Daraus folgt, dass für Rechtsanwälte und andere berufsmäßige Parteienvertreter die Frist für die Einbringung von Anbringen und Rechtsmitteln an die Verwaltungsbehörde kürzer ist, als für jene Partei die keine rechtliche Vertretung in Anspruch nimmt. Diese kann ihr Anbringen nämlich am letzten Tag der Frist zur Post bringen, welche jedenfalls länger als bis zum Ende der Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichts geöffnet hat (in der Regel bis 18:00 Uhr in manchen Fällen sogar bis 22:00 Uhr). Eine Partei die sich keiner rechtlichen Unterstützung durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter bedient, hat sohin für Eingaben an das Bundesverwaltungsgericht länger Zeit als eine, welche die Hilfe eines Rechtsanwaltes, Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers heranzieht. Dieser muss das Anbringen nämlich spätestens vor dem Ende der jeweiligen Amtsstunden der Behörde einbringen. Ob diese Ungleichbehandlung bei der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs vom Gesetzgeber tatsächlich gewollt war, ist zu bezweifeln.

Warum auch bei Eingaben an Behörden mittels elektronischem Rechtsverkehr die Amtsstunden der einzelnen Behörden, welche zudem auch noch von Behörde zu Behörde unterschiedlich sind, Beachtung finden sollen ist auch unter dem Gesichtspunkt, dass eine solche Beschränkung bei gesetzlichen und richterlichen Fristen in bürgerlichen Rechtssachen nicht existiert, unverständlich.