Medizinische Aufklärungspflichten

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Medizinische Aufklärungspflichten

Donnerstag, 3 August, 2017

Die Aufklärungspflichten von Ärzten und Krankenanstalten werden in der Praxis immer wichtiger. Das Unterlassen der Aufklärungspflichten kann aufgrund des Eingriffs in die körperliche Integrität, sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Folgen nach sich ziehen und ist somit von erheblicher Bedeutung.

1. Überblick

In kaum einem anderen Rechtsgebiet ist die Aufklärung über mögliche Risiken über die bevorstehende Behandlung ein solch großes Thema wie bei der Haftung von Ärzten. Dieser Umstand ist hauptsächlich dem Eingriff in die körperliche Integrität geschuldet, der für das jeweilige Individuum (in der Regel) einen enormen - wenn auch meist notwendigen - Eingriff in die körperliche Gesundheit bedeutet. Dies ist jedoch zumeist notwendig, um ein in der Folge besseres Ergebnis, nämlich die Heilung, zu erzielen. Kommt es im Rahmen solcher Behandlungen zu Fehlern, ist das Ergebnis meist evident und führt zur Suche nach haftbaren Personen.

In diesem Zusammenhang ist es jedoch wichtig zwischen rechtswidrigen Behandlungen und solchen, die es eben nicht sind, zu unterscheiden. Diese Unterscheidung ist in der Praxis oft schwierig zu sehen, können doch beide - also rechtswidrige und nicht rechtswidrige - Behandlungen zum selben Ergebnis für den Betroffenen führen.

In der jüngsten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (in der Folge „OGH“), zur Geschäftszahl 8 Ob 27/17d, kam das Höchstgericht zum Ergebnis, dass die Aufklärungspflicht nicht verletzt wurde, da es zur aufgeklärten Behandlung keine aufklärungsbedürftige Alternative gab. Der Eingriff erfolgte somit nicht rechtswidrig und es gebührte kein Ersatz für Schäden.

2. Wann liegt ein Eingriff vor?

2.1 Eingriff

Grundsätzlich stellt jeder Eingriff in die körperliche Integrität - zB jede Operation, Blutabnahme, leichte Blutergüsse, etc - einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar. Dieser Eingriff muss mit der Zustimmung des Patienten erfolgen.

Die Heilbehandlung bedarf grundsätzlich der Einwilligung des Patienten, um nicht ersatzpflichtig oder gar strafrechtlich sanktioniert zu werden. Diese Einwilligung ist selbst dann notwendig, wenn die Behandlung lege artis, also nach dem Stand der Technik durchgeführt wurde. Die Risiken des Eingriffs und alternative Behandlungsmethoden müssen somit umfassend besprochen werden und der Patient muss seine Entscheidung aufgrund der Aufklärung treffen können. Es reicht somit nicht aus, eine zwar richtige, aber unverständliche Aufklärung abzugeben.

2.2 Aufklärungspflichten

Grundlage für die Haftung eines Arztes oder Krankenhausträgers wegen Verletzung der Aufklärungspflicht ist in erster Linie das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, in dessen körperliche Integrität durch die Behandlung eingegriffen wird. Der Patient muss in die konkrete Behandlungsmaßnahme wirklich einwilligen. Voraussetzung für eine sachgerechte Entscheidung des Patienten ist eine entsprechende Aufklärung durch den Arzt. Die Aufklärung des Patienten ist somit nicht Selbstzweck. Vielmehr ist für den Umfang der ärztlichen Aufklärung entscheidend, dass der Patient als Aufklärungsadressat die für seine Entscheidung - Zustimmung zum Eingriff - maßgebenden Umstände erfährt, sodass er über eine ausreichende Entscheidungsgrundlage verfügt.

Stehen für den konkreten Behandlungsfall mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden zur Verfügungen, die - im Sinn einer echten Wahlmöglichkeit - gleichwertig sind, aber unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen haben, so ist über die zur Wahl stehenden diagnostischen oder therapeutischen adäquaten Alternativverfahren zu informieren und das Für und Wider (Vorteile und Nachteile: verschiedene Risiken, verschieden starke Intensitäten der Eingriffe, differierende Folgen, Schmerzbelastungen und unterschiedliche Erfolgsaussichten) mit dem Patienten abzuwägen.

Die Anforderungen an die Aufklärungspflicht unterscheiden sich je nach Größe des Risikos oder der Dringlichkeit des Eingriffs. Dies hat zur Folge, dass bei kleineren Eingriffen - wie zB einer Blutabnahme - keine vergleichbare Aufklärung, wie bei einem Eingriff unter Narkose, notwendig ist. Außerdem ist die Aufklärungspflicht bei akuten Eingriffen, die einer sofortigen Versorgung bedürfen, im Vergleich zu kosmetischen Eingriffen - die medizinisch oft nicht indiziert sind - gering.

Eine Aufklärung über Umstände, die der Patient bereits kennt, ist nicht notwendig, weil er in diesem Fall weiß, in welchen Eingriff er einwilligt. Eine Aufklärung darf grundsätzlich auch dann unterbleiben, wenn der behandelnde Arzt aufgrund der Vorgeschichte und der beruflichen Ausbildung des Patienten annehmen darf, dass dieser bereits über die nötigen Kenntnisse von seinem Leiden, von der Behandlungsmöglichkeiten und von deren Folgen verfügt. 

2.3 Sachverständigenhaftung

Krankenanstalten haften ebenso für rechtswidrige Behandlungen wie Ärzte. Es ist jeweils auf das vertragliche Verhältnis zwischen einerseits Patient und Arzt bzw Krankenanstalt und andererseits Arzt und Krankenanstalt abzustellen.

Beiden ist gemein, dass sie nach § 1299 ABGB für den Mangel der gewissenhaften Betreuung ihrer Patienten nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung haften können. Somit kommt dem ärztlichen Personal ein höherer Sorgfaltsmaßstab zu, als dem „gewöhnlichen“ Bürger, da diese laut dem Gesetz als Sachverständige im Bereich der Medizin zu behandeln sind.

Zu unterscheiden ist die Haftung zwischen Behandlungs- oder Kunstfehlern und der mangelnden Aufklärung. Sorgfaltsmaßstab ist der ordentliche und pflichtgetreue Durchschnittsarzt. Beim Behandlungsvertrag hat der Patient Anspruch, dass die nach dem Stand der Wissenschaft geforderten, sichersten Maßnahmen angewendet werden. Der Arzt hat sich laufend fortzubilden, um am Stand der Technik zu sein.

2.4 Beweislast

Die Beweislast wird für unterschiedliche Fragen der Haftung unterschiedlich verteilt. So muss etwa der Patient die anpruchsbegründenden Tatsachen, nämlich den Zusammenhang zwischen dem Schaden - zB Verletzung - und der Verursachung durch die Fehlbehandlung bzw fehlende Aufklärung durch den behandelnden Arzt bzw die Krankenanstalt nachweisen. Die Judikatur stellt hier jedoch geringe Anforderungen. Hätte sich das Operationsrisiko trotz Vermeidung des Behandlungsfehlers verwirklicht, ist der Schaden zu teilen.

Die erfolgte Aufklärung muss der Arzt bzw die Krankenanstalt beweisen. Ohne Aufklärung, ist die Zustimmung des Patienten unwirksam. Jedoch kann und muss der Arzt den Beweis führen, dass der Patient sich auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung für die Operation entschieden hätte. Der Arzt bzw die Krankenanstalt hat eine Dokumentationspflicht zu erfüllen, widrigenfalls vermutet wird, dass nicht dokumentierte Maßnahmen auch nicht gesetzt wurden. Diese Vermutung kann im Prozess widerlegt werden.

3. Anwendung auf den OGH-Fall

In der anfangs erwähnten Entscheidung des OGH, kam es zur Verneinung der Ersatzpflicht aufgrund eines vermeintlichen Aufklärungsmangels- bzw fehlers. Darin hat die klagende Partei einen Schaden durch eine lege artis durchgeführte Behandlung geltend gemacht, da nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden sei. Der Hauptpunkt stellte die Geltendmachung über die fehlende Aufklärung über die alternative konservative Therapie dar. Nach dem Vorbringen der klagenden Partei, hätte sie die konservative Therapie gewählt, wäre diese über die Risiken aufgeklärt worden.

Dagegen entschieden jedoch die Vorinstanzen und letztlich auch der OGH, dass die klagende Partei über die Möglichkeit der alternativen Therapie in Kenntnis war und ex ante - also aus dem Blickwinkel vor der Operation - selbst bei Aufklärung über die alternative Behandlungsmethode, die Operation gewählt hätte. Somit wurde die Haftung der beklagten Partei verneint.