Übernahmegesetz

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Übernahmegesetz

Mittwoch, 7 Mai, 2008

Das Übernahmegesetz (ÜbG)[1] trat erstmals am 1. Januar 1999 in Kraft und wurde durch das ÜbRÄG 2006[2] grundlegend novelliert. Für die Änderung war einerseits die Umsetzung der Übernahmerichtlinie (ÜBRL)[3] und andererseits die anlässlich eines Gesetzes- bzw Verordnungsprüfungsverfahrens geäußerten Bedenken des VfGH[4] bezüglich der Verfassungsrechtskonformität des ÜbG 1998 verantwortlich.[5]

 
Das ÜbG stellt sowohl materielle Bestimmungen als auch Verfahrensregeln für alle Formen der öffentlichen Übernahme von Aktien und sonstigen Beteiligungspapieren von börsennotierten Gesellschaften auf, mit dem Ziel ein faires und geordnetes Angebotsverfahren zu schaffen[6] und dadurch österreichischen Unternehmen den Zugang zu günstigem Eigenkapital zu erleichtern[7]7. Oberstes Ziel ist jedoch die Gleichbehandlung aller durch die Übernahme betroffenen Anleger sicherzustellen. Dies wird ua durch rechtzeitige Information und Vermeidung von Marktverzehrungen (§§ 5 f ÜbG), Informationspflichten von Bietern (§§ 7, 18 ÜbG) und Zielgesellschaft (§ 14 ÜbG) gewährleistet. In erster Linie werden diese Ziele aber durch die Pflicht sichergestellt nach einem Kontrollwechsel oder erstmaligem Kontrollerlangen den Inhabern von Beteiligungspapieren ein Angebot für ihre Aktien zu stellen (§ 22 Abs 1 ÜbG). Von diesem Pflichtangebot ausgenommen sind Übernahmen, bei denen die Kontrolle durch ein öffentliches Angebot erlangt wurde.
 
Der persönliche Anwendungsbereich des ÜbG knüpft einerseits an den Sitz der Zielgesellschaft und andererseits an die Börsennotierung der Beteiligungspapiere. Vom Vollanwendungsbereich umfasst sind Übernahmen an Gesellschaften mit Sitz in Österreich und Börsennotierung deren Beteiligungspapiere an der Wiener Börse (§ 2 ÜbG). Durch das ÜbRÄG 2006 wird der persönliche Anwendungsbereich dahingehend erweitern, dass nunmehr auch Gesellschaften die nur einen der erwähnten Anknüpfungspunkte erfüllen unter den Teilanwendungsbereich der ÜbG fallen. Der zweite Anknüpfungspunkt jedoch muss in einem EWR-Vertragsstaat erfüllt sein. Hat eine Gesellschaft etwa ihren Sitz in Österreich aber die Börsennotierung in einem anderen Vertragsstaat, dann sind die §§ 27b ff ÜbG anwendbar.
 
Das ÜbG unterscheidet zwischen kontrollbezogenen Angeboten und einfachen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren ohne Kontrollbezug. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein bereits kontrollierender Aktionär seine Beteiligung erhöhen möchte. Bei den Angeboten mit Kontrollbezug wird wiederum zwischen Übernahmeangebote und Pflichtangebote unterschieden. Erstere sind öffentliche Angebote an die Inhaber von Beteiligungspapieren einer Aktiengesellschaft zum Erwerb eines Teils oder aller Beteiligungspapiere gegen Barzahlung oder im Austausch gegen andere Wertpapiere (§ 1 Z 1 ÜbG).
 
Die vom ÜbG angeordneten Pflichtangebote sind die Rechtsfolge des Kontrollerlangens. Dadurch wird der Minderheit der Aktionäre der Austritt aus der Gesellschaft ermöglicht. Obwohl einige Bestimmungen auf sie anwendbar sind, stellen Squeeze-out, die Umwandlung nach dem UmwG und ähnliche Umgründungsmaßnahen keine Angebote iSd ÜbG dar.[8]
 
Wird unmittelbar oder mittelbar eine kontrollierende Beteiligung an einer Zielgesellschaft durch einen oder mehrere gemeinsam vorgehende Rechtsträger[9] erlangt, hat der Erwerber neben der Anzeige an die Übernahmekommission, an alle Inhaber von Beteiligungspapieren an der Zielgesellschaft ein Angebot zum Erwerb deren Beteiligungen zu stellen. Eine unmittelbare kontrollierende Beteiligung liegt bei Überschreiten von 30 Prozent der auf die ständig stimmberechtigten Aktien entfallenden Stimmrechte vor. Somit wird ein formeller Kontrollbegriff geschaffen, sodass eine Beteiligung unter 30 Prozent keine kontrollierende Beteiligung darstellt.[10]
 
Für mittelbare Beteiligungen gilt der formelle Kontrollbegriff nur dann, wenn die Kontrolle durch eine dem ÜbG unterliegende Gesellschaft vermittelt wird. Weiterhin maßgeblich ist der materielle Kontrollbegriff[11], wenn die Kontrolle durch einen anderen Rechtsträger vermittelt wird. In so einem Fall wird darauf abgestellt, ob ein beherrschender Einfluss etwa durch die Mehrheit der Stimmrechte[12] auf die Zielgesellschaft ausgeübt werden kann.
 
Bei Erlangung der „gesicherten Sperrminorität" von 26 Prozent der auf die ständig stimmberechtigten Aktien entfallenden Stimmrechte ist lediglich eine Anzeige an die Übernahmekommission vorgesehen (§ 26 ÜbG). Werden die 26 Prozent überschritten, ruhen die über die „gesicherte Sperrminorität" hinausgehenden Stimmrechte. Nach einer Anzeige können Beteiligungen bis zu Erreichung der 30 Prozentschwellen erworben werden, ohne dass ein Pflichtangebot gestellt werden muss. Die Stimmrechte leben jedoch erst mit Abgabe eines Pflichtangebotes wieder auf (§ 26a Abs 2 ÜbG).
 
Für öffentliche Angebote und Pflichtangebote wird eine Gegenleistung vorgeschrieben. Diese muss in Bar angeboten werden, sofern es sich um Pflicht- und Übernahmeangebote handelt, alternativ könnten auch andere Gegenleistungen angeboten werden. Wird jedoch ein freiwilliges öffentliches Angebot gemacht, ist eine Baralternative nicht unbedingt erforderlich, die angebotene Gegenleistung kann auch ausschließlich als Geschäftsanteile etwa einer GmbH ausgestaltet sein.
 
Der Angebotspreis für Pflichtangebote und freiwillige Angebote zur Kontrollerlangung unterliegt einer zweifachen Untergrenze. Der Preis darf einerseits nicht unter der höchsten vom Bieter in Referenztransaktionen geleistete oder zugesagte Gegenleistung liegen und gleichzeitig auch nicht den durchschnittlichen Börsenkurs der letzten sechs Monate ab dem Tag der Bekanntmachung der Angebotsabsicht unterschreiten (§ 26 ÜbG).
 
Der verfahrensrechtliche Teil des ÜbG regelt die Organisation und die Aufgaben der Übernahmekommission sowie besondere Vorschriften über das Pflichtangebot, die Preisbildung und zivilrechtliche Sanktionen. Der Übernahmekommission steht zwar keine Kompetenz mehr zur Erlassung von
 
 
Verordnungen[13]13, es obliegen ihr jedoch weiterhin alle Entscheidungen über die nach dem ÜbG zu beurteilenden Angelegenheiten (§ 29 Abs 1 ÜbG) sowie Erstattung von Stellungnahmen. Gem § 33 Abs 1 ÜbG kann die Übernahmekommission von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei feststellen, ob ein Angebot unter Verletzung insbesondere der Preisbestimmungen zustande gekommen ist, ob ein Angebot zu Unrecht nicht gestellt wurde oder eine gebotene Mitteilung unterlassen wurde und aus diesem Grund die Stimmrechte des Anbieters ruhen.


[1] Bundesgesetz betreffend Übernameangebote, Art I des BGBl I 1998/127.
[2] Übernahmerechtsänderungsgesetz 2006, BGBl I 2006/75.
[3] Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlament und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote, ABI v 30.4.2004, L 142/12
[4] VfGH 14.12.2005, B 389/05, B 390/05, B 393/05.
[5] Vgl ErIRV 1334 BgINR 22. GP 2 f.
[6] ÜbK v 17.6.1999, GZ 1999/2/3-13.
[7] Vorblatt und Punkt 4 des Allgemeinen Teils der ErIRV des ÜbG (1276 BIgNR 20. GP).
[8] Diregger/Kalss/Winner, Das österreichische Übernahmerecht (2006) 31; Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht I § 23 Rz34.
[9] Gem § 23 Abs 1 ÜbG sind gemeinsam vorgehenden Rechtsträgern die von ihnen jeweils gehaltenen Beteili­gungen an einer Zielgesellschaft wechselseitig zuzurechnen.
[10] Huber/Alscher, Das Übernahmerechts Änderungsgesetz – ein Überblick, ecolex (2006) 574.
[11] Huber/Alscher, ecolex (2006) 574.
[12] S.Bydlinski/Winner, Das neue Übernahmegesetz – Ein Überblick über die materiell-rechtlichen Bestimmungen, ÖBA (12/1998) 913.
[13] S. Bydlinski/Potyka, Übernahmegesetz (2006) 101.