Schiedsgerichte sind – nicht zuletzt aufgrund ihres guten Rufes als rasche, kostengünstige, vertrauliche und vor allem staatenunabhängige Entscheidungskörper – mittlerweile aus dem Leben kontraktierender Unternehmer nicht mehr wegzudenken. Eine vertraglich ausbedingte Schiedsklausel entfaltet jedoch in so manchen Fällen ihr Eigenleben, dh es kann passieren, dass diese Schiedsklausel unanwendbar ist, obwohl sich die Parteien darauf geeinigt haben. Die Gründe dafür können vielfältig sein. Oftmals sind es offensichtliche Fehler in der Schiedsklausel, manchmal bringt nur eine rechtliche Auslegung der Klausel Klarheit über deren Gültigkeit. Eine Begründung dafür, dass es so viele defekte Schiedsklauseln gibt, mag in der Tatsache liegen, dass solche Klauseln zumeist sog „midnight clauses“ sind, dh diese werden, nachdem sich die Parteien nach mühevollen, sich oftmals über Wochen und Monate ziehenden Verhandlungen endlich über den Vertragsinhalt einigen konnten, noch rasch in den Vertrag „hineingepresst“, damit dieser endlich unterschrieben werden kann und der Deal perfekt ist. In Folge wird ein kurzer Überblick über die gröbsten, oftmals offensichtlichen, Mängel von Schiedsklauseln samt praktischem Anwendungsbeispiel gegeben.
I. Die New York Convention[1] und das UNCITRAL Model Law[2]
1. Sind auch mündliche Schiedsvereinbarungen gültig?
Grundsätzlich bedarf eine Schiedsvereinbarung zu ihrer Gültigkeit der Schriftform. Dies wird sowohl von der New York Convention („
NYC“) klargestellt, als auch vom UNCITRAL Model Law, welches als Grundlage für die nationalen Schiedsordnungen gedient hat und noch immer dient. Art II.2 NYC besagt, dass „
the term agreement in writing shall include an arbitral clause in a contract or an arbitration agreement, signed by the parties or contained in an exchange of letters or telegrams.” Obwohl Art II.2 NYC zusätzlich zur Schriftlichkeit ausdrücklich eine Unterschrift („
signed by the parties“) verlangt, so wird nach allgemeiner Rechtsprechung eine solche für entbehrlich gehalten, vorausgesetzt, dass die Schiedsvereinbarung schriftlich vorliegt.
Eine schriftliche Schiedsvereinbarung ohne Unterschriften der Parteien kann somit nach der NYC gültig sein. Noch weiter geht das Model Law, welches vorsieht, dass „
an agreement is in writing if it is contained in a document signed by the parties or in an exchange of letters, telex, telegrams or other means of telecommunication which provides a record of the agreement (…)”
[3]. Ausgehend von dieser weiten Bestimmung des Model Law wird es beispielsweise im Sinne des Schweizer Schiedsrechts als genügend angesehen, wenn eine mündliche Schiedsvereinbarung vorliegt, über die es eine Aufzeichnung auf Kassette gibt, von welcher dann eine schriftliche Abschrift erstellt werden kann.[4][5] Werden Schiedsvereinbarung entsprechend diesen Vorschriften mündlich und ohne Unterschrift der Parteien erstellt, ist dennoch Vorsicht geboten, da sich Gerichte immer wieder weigern, solche Schiedsvereinbarungen als gültig anzusehen und entsprechend die Vollstreckbarkeit eines aufgrund einer solchen Schiedsvereinbarung entgangenen Schiedsspruches versagen.
[6] Ähnlich steht es nach dem Englischen Schiedsrecht, wonach eine Schiedsvereinbarung als schriftlich gilt, wenn eine mündliche Vereinbarung „
is recorded by one of the parties, or by a third party, with the authority of the parties to the agreement”.
2. Ist jede schriftliche Schiedsklausel gültig?
Nein. Die NYC und das Model Law verlangen als weitere Voraussetzung das Bestehen eines „
defined legal relationship“, also einer
bestimmten Rechtsbeziehung der Parteien zueinander. Dies wird in den meisten Fällen zugegebenermaßen anzunehmen sein, da Schiedsvereinbarungen zumeist in Verträgen enthalten sind, und diese dementsprechend die Rechtbeziehungen der Parteien regeln. Im Übrigen verlangen sie jedoch auch, dass sich eine Schiedsvereinbarung auf
schiedsfähige Streitigkeiten beziehen muss.
[7] Die Frage der Schiedsfähigkeit kann an dieser Stelle nicht eingehend behandelt werden. Wichtig ist nur, dass jeder Staat selbst entscheidet, welche Ansprüche er für schiedsfähig erklärt und welche nicht. Grundsätzlich werden Strafsachen, Konkurssachen, sowie Streitigkeiten über Patente und Schutzrechte als nicht vergleichsfähig erklärt. Im österreichischen Schiedsrecht besagt § 582 ZPO, der § 1030 Abs 1 und Abs 2 der deutschen ZPO entspricht, „
(j)eder vermögensrechtliche Anspruch, über den von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden ist, kann Gegenstand einer Schiedsvereinbarung sein. Eine Schiedsvereinbarung über nicht vermögensrechtliche Ansprüche hat insofern rechtliche Wirkung, als die Parteien über den Gegenstand des Streits einen Vergleich abzuschließen fähig sind“. Ausdrücklich ausgenommen sind familienrechtliche Ansprüche und solche aus dem MRG und WGG
[8].
[9] Ganz allgemein soll jedoch die Bedeutung der Schiedsfähigkeit nicht übertrieben werden. Die meisten Handelsstreitigkeiten nach den Gesetzen der meisten Länder sind schiedsfähig.
II. Beispiele ungültiger Schiedsklauseln
Auch wenn Schiedsklauseln nach den oben beschriebenen Kriterien formgemäß und rechtlich einwandfrei konzipiert werden, so kommt es in einer Vielfalt von Fällen dennoch dazu, dass diese aufgrund ihres Inhaltes ungültig sind. In der Praxis entsteht eine solche Ungültigkeit zumeist daraus, dass eine Schiedsklausel in sich unschlüssig, unbestimmt, oder undurchführbar ist.
1. Wie sehen unschlüssige Schiedsklauseln aus?
In sich
unschlüssig ist eine Schiedsvereinbarung zB dann, wenn sie vorsieht, dass „
ein Schiedsverfahren, wenn überhaupt, unter den Regeln der ICC in London zu führen ist“,
[10] oder wenn sie nicht eindeutig regelt, welche Art der Streitbeilegung, dh Gerichtsbarkeit oder Schiedsgerichtsbarkeit, durchgeführt werden soll, dh zB einerseits vorsieht, „
alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag sollen endgültig durch ein Schiedsverfahren von einem Einzelschiedsrichter in London entschieden werden“ und andererseits „
Herr Müller unterwirft sich der englischen Gerichtsbarkeit und stimmt zu, dass alle Klagen aus diesem Vertrag in London eingebracht werden müssen“. In der internationalen Praxis werden solche Fälle der Unschlüssigkeit jedoch zumeist so entschieden, dass der Schiedsklausel, wenn irgendwie möglich, Gültigkeit verliehen wird.
2. Wann ist eine Schiedsklausel unbestimmt?
Fälle der Unbestimmtheit gibt es bei Schiedsklauseln zur Genüge. Diese fangen schon dabei an, dass oftmals nicht eindeutig geregelt wird, ob Streitigkeiten tatsächlich durch ein Schiedsverfahren oder eine andere Form der Streitbeilegung (zB Mediation) entschieden werden sollen (zB „
Alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag sollen nach den Regeln der ICC entschieden werden“)
[11]. Weiters, wenn eine Schiedsklausel vorsieht, „
alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag sollen endgültig durch ein Schiedsverfahren vor einem Einzelschiedsrichter entschieden werden. Der Einzelschiedsrichter soll eine bekannte Handelskammer (wie die ICC) sein.“ Eine solche Klausel wäre unbestimmt, da ein Schiedsrichter nur eine natürliche Person sein kann.
3. Welche Fälle der Undurchführbarkeit gibt es?
Undurchführbar kann eine Schiedsvereinbarung insbesondere dann sein, wenn der Vertrag bereits ausgelaufen ist, oder die Parteien die Schiedsvereinbarung (auch schlüssig) widerrufen haben. In diesem Sinne ist anzumerken, dass Schiedsklauseln grundsätzlich auch mündlich widerrufen werden können. Dass das Bestehen der Schiedsklausel sodann auf eine Beweisfrage hinausläuft, ist evident. Eine Undurchführbarkeit kann sich zB auch dann ergeben, wenn eine Schiedsvereinbarung vorsieht, „alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag sind endgültig durch ein von drei Schiedsrichtern durchzuführendes Schiedsverfahren nach den Regeln der sizilianischen Bäckervereinigung durchzuführen“, wenn sich die „sizilianische Bäckervereinigung“ seit Vertragsabschluss und Geltendmachung der Schiedsklausel aufgelöst hat. Oder, wenn eine Schiedsvereinbarung vorsieht, „alle Streitigkeiten in Verbindung mit diesem Vertrag werden von einem ad-hoc Schiedsgericht endgültig entschieden. Jede Partei soll einen Schiedsrichter wählen. Der dritte Schiedsrichter, der als Vorsitzender fungiert, soll von dem früheren Tennisstar Thomas Muster ernannt werden“, wenn Herr Muster zwischenzeitig verstorben wäre.
In der Praxis können jedoch noch ganz andere Schwierigkeiten auftreten, die die Ungültigkeit einer Schiedsvereinbarung bewirken, obwohl die Schiedsvereinbarung auf den ersten Blick gültig aussieht. So kann es in etwa sein, dass die Schiedsvereinbarung unterschrieben ist, eine Unterschrift aber von einer anderen Partei, die nicht Vertragspartei ist, gesetzt wurde. So kam es in etwa in einem dem Autor bekannten Fall dazu, dass eine Partei (nennen wir sie „
MyOldMansion“) ein Schiedsverfahren aufgrund einer Schiedsklausel gegen eine andere Partei (die „
Cosy Bed Schlafcomfort GmbH“) einleitete, dabei jedoch übersah, dass die Schiedsvereinbarung nicht von der „
Cosy Bed Schlafcomfort GmbH“ unterschrieben war, sondern von einer anderen Partei (nennen wir sie „
Cosy Bed Matrazen GmbH“), obwohl der Vertrag auf ein Vertragsverhältnis zwischen der „
MyOldMansion“ und der „
Cosy Bed Schlafcomfort GmbH“ ausgelegt war (dh in der Kopfzeile stand in etwa: „„
MyOldMansion“
und die „
Cosy Bed Schlafcomfort GmbH“
schließen folgenden Vertrag […]“; „„
MyOldMansion“
verpflichtet sich gegenüber der „Cosy Bed Schlafcomfort GmbH“
[…]“). Die schiedsbeklagte Partei wendete daher in diesem Fall mE zu Recht ein, dass dies alles nichts hilft, da die Schiedsklausel nun einmal nicht von der „
Cosy Bed Schlafcomfort GmbH“, sondern von der „
Cosy Bed Matrazen GmbH“ unterschrieben wurde (und mit deren Firmenstempel bestätigt wurde) und somit zwischen „
MyOldMansion“ und der „
Cosy Bed Schlafcomfort GmbH“ keine (gültige) Schiedsvereinbarung vorlag.
[12]
Es zeigt sich also, dass Schiedsvereinbarung durchaus ihre Tücken haben können und sich die Parteien viel Mühe ersparen können, wenn sie die Schiedsvereinbarung im Vertrag nicht etwa fünf Minuten vor Mitternacht, sondern eventuell schon in der Mittagspause entwerfen würden. Eine solche gültige Schiedsklausel könnte für ein Schiedsverfahren nach der Schiedsordnung des Internationalen Schiedsgerichts der Wirtschaftskammer Österreich (Wiener Regeln) in Wien so aussehen:
“Alle Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag ergeben, zB über seinen Bestand, seine Erfüllung, seine Auflösung sowie vor- und nachvertragliche Pflichten und die Übertragung von Rechten, werden nach der Schiedsordnung des Internationalen Schiedsgerichts der Wirtschaftskammer Österreich in Wien (Wiener Regeln) von drei gemäß diesen Regeln ernannten Schiedsrichtern endgültig entschieden, auch wenn sie sich auf andere Rechtsgrundlagen stützen als den Vertrag. Der Schiedsort ist Wien. Die im Schiedsverfahren zu verwendende Sprache ist Deutsch.
Diese Schiedsvereinbarung schließt nicht aus, dass ein Gericht vor oder nach Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens auf Antrag einer Partei eine vorläufige oder sichernde Maßnahme in Bezug auf den Streitgegenstand des schiedsrichterlichen Verfahrens anordnet.“
[1] UN Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards 1958.
[2] UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration 1985.
[3] Dies entspricht im Großen und Ganzen auch § 583 ZPO: „Die Schiedsvereinbarung muss entweder in einem von den Parteien unterzeichneten Schriftstück oder in zwischen ihnen gewechselten Schreiben, Telefaxen, e-mails oder anderen Formen der Nachrichtenübermittlung enthalten sein, die einen Nachweis der Vereinbarung sicherstellen“.
[4] Vgl das Schweizer Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) 1987, Art 178 (1), welcher besagt, dass die Schiedsvereinbarung „schriftlich, durch Telegramm, Telex, Telefax oder in einer anderen Form der Übermittlung zu erfolgen (hat), die den Nachweis der Vereinbarung durch Text ermöglicht“.
[5] Vgl English Arbitration Act 1996, Art 5(4).
[6] Siehe zB die Entscheidung vom Halogaland Berufungsgericht (Norwegen) vom 16. August 1999 (2002) XXVII Yearbook Commercial Arbitration 519.
[7] Vgl Art II.1 und V.2(a) NYC und Art 34(2)(b)(i) und 36(1)(b)(i) Model Law.
[8] Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz.
[10] Vgl den Fall Mangistaumunaigoz Oil gg United World Trade Inc (1995) 1 Lloyd’s Rep 617.
[11] Anm: Von der ICC gibt es sowohl Schieds- als auch andere Schlichtungsregeln.
[12] Anm: Dieses Schiedsverfahren ist derzeit noch anhängig und es wird sich zeigen, ob die Ansicht der beklagten Partei zutreffend war.