BAWAG verstößt laut Generalanwalt gegen EU-Recht

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BAWAG verstößt laut Generalanwalt gegen EU-Recht

BAWAG verstößt laut Generalanwalt gegen EU-Recht

Donnerstag, 1 Dezember, 2016

Die meisten Bankinstitute haben mittlerweile ein sogenanntes Online-Banking-System, welches sicherstellen soll, dass Benachrichtigungen des Bankinstitutes beim Kunden ankommen. Ein Online-Banking-System wird über die Homepage des jeweiligen Bankinstitutes geführt. Jeder Nutzer des E-Banking bekommt Zugangsdaten, welche sich aus Benutzernamen und Kennwort zusammensetzen. Wenn man diese Zugangsdaten zur Erkennung seiner Person in der Internetmaske des jeweiligen Bankinstitutes eingibt, kann man einerseits die Bankdienstleistungen, wie Überweisungen, Daueraufträge, usw. in Anspruch nehmen und gleichzeitig seinen bankinternen E-Mail-Account öffnen und durchlesen. An diese E-Mail-Box werden Benachrichtigungen jeder Art von der Bank an den Kunden gesendet. Zum Teil befinden sich auch wichtige Benachrichtigungen in der E-Mail-Box, wie zum Beispiel die Änderung des Vertrages zwischen Bankinstitut und Kunden. Diese Wahl der Verständigung wird durch die Banken deswegen verwendet, um sichergehen zu können, dass der Kunde die Nachricht auch tatsächlich erhält. Das sichere Ankommen der Benachrichtigung wäre bei privaten E-Mailadressen nur unter der Voraussetzung gewährleistet, dass die E-Mailadresse noch aktuell ist, ursprünglich richtig war, oder sich eine andere Fehlerquelle nicht verwirklicht hat und somit die Information beim Kunden nicht angekommen ist.

Im vorliegenden Verfahren (Geschäftszahl 8 Ob 58/14h) hatte der Oberste Gerichtshof (in der Folge „OGH“) zu klären, ob eine Benachrichtigung auf ein solches Online-Banking-System, nämlich der E-Mail-Box des Kreditinstitutes, der gesetzlichen Bestimmung des Zahlungsdienstegesetzes (in der Folge „ZaDiG“) Genüge tut und der Inhalt einer solchen Benachrichtigung (hier: Änderungsmitteilung) in weiterer Folge die beabsichtigten Rechtsfolgen auslösen würde.

Insbesondere war in diesem Verfahren zu klären, ob das Zurverfügungstellen von Änderungen des Rahmenvertrages mit dem Bankinstitut auf der E-Mail-Box des Kreditinstitutes der gesetzlichen Voraussetzung des „Mitteilen“ der Änderung an den Kunden ausreichen würde, oder ob eine zusätzliche Verständigung erforderlich sei, um die Änderung des Rahmenvertrages rechtswirksam werden zu lassen.

Zur Klärung dieser Frage, rief der OGH den europäischen Gerichtshof (in der Folge „EuGH“) an, da es gleichzeitig um die Auslegung einer europäischen Richtlinie (Zahlungsdienste-Richtlinie 2007/64/EG) ging. Der EuGH erlies zwar bis dato noch kein Urteil, jedoch äußerte sich der für viele Verfahren richtungsgebende Generalanwalt bereits zu der Sache (C-375/15).

1. Rechtliche Grundlagen

Die österreichische Bestimmung § 29 Abs 1 Z 1 ZaDiG besagt:

der Zahlungsdienstleister hat dem Zahlungsdienstnutzer Änderungen des Rahmenvertrages spätestens zwei Monate vor dem geplanten Zeitpunkt ihrer Anwendung in der in § 26 Abs 1 Z 1 und Abs 2 vorgesehenen Weise vorzuschlagen […]“

Gemäß § 26 Abs 1 Z 1 ZaDiG heißt es:

„Der Zahlungsdienstleister hat dem Zahlungsdienstnutzer rechtzeitig, bevor der Zahlungsdienstnutzer durch einen Vertrag oder ein Vertragsangebot gebunden ist, die Informationen und Vertragsbedingungen“

„im Fall eines Rahmenvertrages gemäß § 28 in Papierform oder, sofern der Zahlungsdienstnutzer damit einverstanden ist [zumeist durch Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart], auf einem anderen dauerhaften Datenträger mitzuteilen […]“

Artikel 41 Abs 1 EU-Richtlinie 2007/64/EG über Zahlungsdienste im Binnenmarkt lautet:

Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass der Zahlungsdienstleister dem Zahlungsdienstnutzer rechtzeitig die Informationen und Vertragsbedingungen gemäß Artikel 42 in Papierform oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger mitteilt, bevor der Zahlungsdienstnutzer durch einen Rahmenvertrag oder ein Vertragsangebot gebunden ist. Die Informationen und Vertragsbedingungen sind in einer Amtssprache des Mitgliedstaats, in dem der Zahlungsdienst angeboten wird, oder in einer anderen zwischen den Parteien vereinbarten Sprache klar und verständlich abzufassen.

Von dem sogenannten Rahmenvertrag, der das „Mitteilen“ und nicht das bloße „zur Verfügung stellen“ notwendig macht, sind gemäß § 28 ZaDiG folgende Inhalte umfasst:

  • Informationen über den Zahlungsdienstleister;
  • Inhalt der Nutzung des Zahlungsdienstes;
  • Entgelte, Zinsen und Wechselkurse;
  • Kommunikation dieser Informationen;
  • Schutz- und Abhilfemaßnahmen;
  • Änderungen und Kündigung des Rahmenvertrags;
  • Rechtsbehelfe.

2. Vorläufige Entscheidungen

Der OGH sah den Voraussetzungen des ZaDiG und der europäischen Rechtsgrundlage Genüge getan, indem das Kreditinstitut seine geplanten Änderungen an die E-Mail-Box des Kunden sendete. Das oberste Gericht sah nämlich darin das Mitteilen in einem dauerhaften Datenträger als erfüllt an. Der OGH verglich nämlich das Aktivwerden des Kunden bei einer privaten E-Mailadresse mit dem Aktivwerden bei einer E-Mail-Box des Kreditinstitutes und kam zu dem Entschluss, dass für den Kunden ein gleichwertiges Aktivwerden erforderlich ist.

Entgegen dieser Entscheidung, sieht der Generalanwalt die Sache anders. Dieser erachtet zwar die E-Mail-Box des Kreditinstitutes ebenfalls als dauerhaften Datenträger, da die Informationen für eine angemessene Dauer (Sicherung von Interessen) eingesehen werden können und die unveränderte Wiedergabe (Speichern, Drucken) der Informationen möglich ist. Der Generalanwalt sieht jedoch das Kriterium der „Mitteilung“ als nicht hinreichend erfüllt an, wenn die Mitteilung nicht zusätzlich via SMS, Post oder auf die private E-Mailadresse des Kunden im Voraus erfolgt. Der Generalanwalt stellte nämlich nicht auf den vergleichbaren Aufwand des Kunden ab, um sich in seinen Account anzumelden, sondern sieht insofern einen Unterschied, als der durchschnittliche Kunde zwar seine privaten E-Mails regelmäßig abruft, jedoch nicht verlangt werden kann, dass dieser die Benachrichtigungen in seiner E-Mail-Box regelmäßig überprüft und einsieht. Es bleibt abzuwarten wie der EuGH die europäische Richtlinie unionsweit interpretieren wird und ob ein zusätzliches Tätigwerden der Bankinstitute notwendig sein wird.