Die rechtsanwaltliche Verschwiegenheitspflicht

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Die rechtsanwaltliche Verschwiegenheitspflicht

Montag, 17 September, 2012

Die maßgeblichen Normen betreffend die Standespflichten eines Rechtsanwaltes finden sich in § 9 RAO. Hinsichtlich der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht normiert § 9 Abs 2 RAO, dass der Rechtsanwalt „zur Verschwiegenheit über die ihm anvertrauten Angelegenheiten und die ihm sonst in seiner beruflichen Eigenschaft bekanntgewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse seiner Partei gelegen ist, verpflichtet“ ist. Während hier die Pflicht zur Verschwiegenheit behandelt wird, findet sich hingegen im zweiten Satz des § 9 Abs 2 RAO das Recht auf Verschwiegenheit wonach der Rechtsanwalt „in gerichtlichen und sonstigen behördlichen Verfahren nach Maßgabe der verfahrensrechtlichen Vorschriften das Recht auf diese Verschwiegenheit“ hat. Aus der Formulierung des § 9 Abs 2 RAO erschließt sich die Intention des Gesetzgebers, die sich primär darauf richtet, das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandanten unter besonderen Schutz zu stellen. Unbenommen von der standesrechtlichen Verschwiegenheitspflicht besteht dazu parallel eine aus dem Vertragsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandanten ableitbare Pflicht zur Verschwiegenheit (vgl § 1009 ABGB).
 

1. Geltungsbereich der Verschwiegenheitspflicht

 

1.1. Inhaltlicher Geltungsbereich

Umfasst sind jedenfalls unmittelbar vom Mandanten erhaltene Informationen, ebenso wie dem Rechtsanwalt von dritter Seite zugekommene Tatsachen deren Verlautbarung den Interessen des Mandanten entgegenstehen. Weiters unterliegen alle dem Parteienvertreter übergebene Akten, Urkunden sowie anderer Beweisstücke und vom Rechtsanwalt selbst verfasste Schriftstücke der Verschwiegenheit.

1.2. Zeitlicher Geltungsbereich

 

Die Pflicht zur Verschwiegenheit besteht schon vor Übernahme und auch nach Beendigung des Mandates weiter. Sowohl die standesrechtliche als auch die zivilrechtliche Verschwiegenheitspflicht sind diesbezüglich deckungsgleich, leitet sich die zivilrechtliche doch aus den allgemeinen "Schutz- und Sorgfaltspflichten" ab. Jedoch sind die Konsequenzen bei Verletzung dieser Pflicht unterschiedlich: Reicht für eine Verletzung des § 9 Abs 2 RAO allein die Weitergabe, Veröffentlichung oder das Zugänglichmachen an Dritte aus, ist der Mandant bei einer Verletzung der Pflichten aus § 1009 ABGB auf die Instrumente des Schadenersatzes verwiesen. Hiefür ist der Geschädigte jedoch für den Schaden, dessen Höhe sowie Kausalität und Verschulden beweispflichtig. Nach hL sind die Bestimmungen des


§ 9 Abs 2 RAO als Schutzgesetze iSd § 1311 ABGB zu qualifizieren und führen zu einer Erweiterung der Haftung auch für bloße Vermögensschäden.

 

1.3. Grenzen der Verschwiegenheitspflicht

 

Die Verschwiegenheitspflicht ist grundsätzlich eine allumfassende. Die Rsp erkennt eine Durchbrechung lediglich bei Entbindung durch den Mandanten, bei berechtigten Interessen des Rechtsanwaltes in eigener Sache - vorbehaltlich einer Interessensabwägung - sowie in Form einer Anzeigepflicht bei Verdacht der Geldwäsche und Terrorbekämpfung (§ 8c RAO).


2. Ergänzende Bestimmungen

 

2.1. Berufsausübungsrichtlinie

 

§ 45 RL-BA Abs 3 lit e erklärt das Werben durch "Nennung von Mandanten ohne deren Einwilligung" für unzulässig. Korrespondierend damit bestimmt § 47 RL-BA, dass in der Öffentlichkeit bzw im Umgang mit Medien das Interesse des Mandanten zu beachten ist. So sind Veröffentlichungen in Ausübung eines Mandates unter der Prämisse der ausdrücklichen Zustimmung des Mandanten und unter Berücksichtigung seiner legitimen Interessen zulässig.

 

2.2. Das Anwaltsprivileg im Strafverfahren

 

Geschützt ist die Kommunikation zwischen dem Rechtssuchenden bzw Beschuldigten und ihrem Verteidiger, unbenommen von einem bereits anhängigen Strafverfahren. Weiters besteht ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 157 Abs 1 Z 2 StPO. Das Verweigerungsrecht gilt für die Rechtsgruppen der Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare und Wirtschaftstreuhänder und betrifft Informationen die ihnen im Zuge ihrer Berufsausübung zukommen. Das in § 157 Abs 1 Z 2 StPO statuierte Entschlagungsrecht ist insbesondere zur Sicherung des Grundsatzes eines "fair trials" nach Art 6 MRK notwendig. Das Entschlagungsrecht ist jedoch auf den Informationsschutz begrenzt und umfasst daher nicht Beweisstücke die sich zwar beim entschlagungsberechtigten Rechtsanwalt in Verwahrung befinden, jedoch nicht zu seiner Information hergestellt worden sind.

2.3. Das Anwaltsprivileg im Zivilverfahrensrecht

Gemäß § 321 Abs 1 ZPO kann sich ein Zeuge seiner Aussage entschlagen, wenn er mit der Aussage eine ihm "obliegende staatlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit" verletzen würde (Z 3) oder wenn er als Zeuge über etwas berichten müsste dass ihm in "seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt von seiner Partei anvertraut wurde" (Z 4).