Haftung und rechtliche Verantwortung des Stiftungsvorstandes

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Haftung und rechtliche Verantwortung des Stiftungsvorstandes

Montag, 1 Juli, 2013

1. Allgemeines

Im allgemeinen Verständnis wird die Übernahme eines Stiftungsvorstandspostens oftmals als risikoloser „Freundschaftsdienst“ gesehen. Zu Unrecht, wie die Entwicklungen und gerichtlichen Entscheidungen der letzten Jahre zeigen: So wurden bzw werden Stiftungsvorstände in Österreich immer häufiger mit Haftungsansprüchen konfrontiert. Gründe hierfür sind in erster Linie Konflikte zwischen verschiedenen Generationen von Begünstigten und/oder Stiftern, Ansprüchen von Gläubigern sowie missglückte Investments und Performanceeinbrüche aufgrund der Finanzkrise. Im Folgenden soll nun ein kurzer Überblick gegeben werden, wann und unter welchen Voraussetzungen eine Haftung des Stiftungsvorstandes gegeben sein kann und gleichzeitig sollen auch Möglichkeiten aufgezeigt werden, das Haftungsrisiko zu minimieren.

2. Gesetzliche Grundlage

Mit der Erfüllung der Aufgaben des Stiftungsvorstandes und den daraus resultierenden Haftungsansprüchen befassen sich vor allem die §§ 17 und 29 Privatstiftungsgesetz (PSG), die den Bestimmungen des § 84 Aktiengesetz (AktG) sowie der §§ 25 Abs 7 iVm 10 Abs 6 GmbH-Gesetz nachempfunden sind. Zusätzlich hat der Oberste Gerichtshof (OGH) in einigen Entscheidungen Art und Umfang der Haftung näher konkretisiert.


3. Aufgaben- und Pflichterfüllung des Stiftungsvorstandes

3.1. Aufgaben

Der Stiftungsvorstand ist das zentrale Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der Stiftung. Er verwaltet und vertritt die Stiftung und sorgt unter Einhaltung der Bestimmungen der Stiftungserklärung für die Erfüllung des Stiftungszweckes (§ 17 Abs 1 PSG).

Der Stiftungsvorstand muss in erster Linie zum Wohle der Stiftung handeln und ist daher angehalten, Interessenskonflikte offenzulegen und regelmäßig nach objektiven Kriterien zu urteilen. In den Verantwortungsbereich des Vorstandes fällt die Einholung der angemessenen Informationen zur gründlichen Vorbereitung für Entscheidungsprozesse sowie als zentrales Geschäftsführungsorgan nach sorgfältiger Prüfung und umfassender Risikoabschätzung die Entscheidung ein Geschäft oder eine Maßnahme durchzuführen oder zu unterlassen.

3.2. Sorgfaltsmaßstab bei der Pflichterfüllung

Hinsichtlich der Pflichterfüllung wird im Gesetz festgehalten, dass jeder Stiftungsvorstand seine Pflichten und Aufgaben sparsam und mit der Sorgfalt eines gewissenhaften Geschäftsleiters zu erfüllen hat (§ 17 Abs 2 PSG). Aufgrund seiner Unschärfe bedarf vor allem diese Bestimmung in der Praxis einer genaueren Auslegung und kann grundsätzlich nur jeweils für den Einzelfall und nach Übung des redlichen Verkehrs konkretisiert werden. Laut Rechtsprechung des OGH haben sich die Mitglieder des Stiftungsvorstandes „wie ein ordentlicher und gewissenhafter, das geschäftliche Unternehmen auf eigene Rechnung betreibender Unternehmer bzw wie ordentliche Geschäftsleute in verantwortlich leitender Position bei selbständiger treuhändiger Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zu verhalten und ihre Aufgaben entsprechend zu erfüllen“ (OGH 31.10.1973=SZ 46/113). So ist bei der Auslegung der gebotenen Sorgfalt zur pflichtgemäßen Aufgabenerfüllung insbesondere auf den Stiftungszweck, das gewidmete Vermögen, die Bestimmungen der Stiftungserklärung und die Tätigkeit der Privatstiftung ebenso Rücksicht zu nehmen wie auf das wirtschaftliche Umfeld und die allgemeine Wirtschaftslage sowie damit zusammenhängend situationsbedingt auf die relative wirtschaftliche Bedeutung jeder einzelnen Geschäftsführungsmaßnahme oder Entscheidung. Generell kann man davon ausgehen, dass neben der ausdrücklich erwähnten Sparsamkeit auch Kriterien wie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit vom Stiftungsvorstand zu beachten sind.

Für eine pflichtgemäße und sorgfältige Entscheidungsfindung durch den Stiftungsvorstand sind vor allem folgende drei Schritte von Bedeutung: Umfassende Informationsbeschaffung, sorgfältige Prüfung sowie Chancen- und Risikoabwägung nach bestem Wissen und Gewissen.

3.3. Objektiver Sorgfaltsbegriff

§ 17 PSG normiert allerdings einen objektiven Sorgfaltsbegriff. Das bedeutet, dass sich die Sorgfaltsanforderungen nach den übernommenen Aufgaben und nicht nach den individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen des jeweiligen Vorstandsmitgliedes richten – dies gilt vor allem auch dann, wenn sich das Vorstandsmitglied bei Übernahme der Funktion übernommen hat (sog Einlassungsfahrlässigkeit). Fehlen dem Stiftungsvorstand spezielle, zur Entscheidungsfindung notwendige Sachkenntnisse, so ist er angehalten, gegebenenfalls externe Experten zu befragen und beizuziehen (wie insbesondere Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, Sachverständige oder sonstige kundige Personen).

3.4. Risikoreiche Geschäfte und Entscheidungen

Der Sorgfaltsmaßstab darf allerdings auch nicht zu eng gezogen werden, da den Stiftungsorganen bei ihren Entscheidungen stets ein gewisser Ermessensspielraum verbleiben muss. Das bedeutet, dass gewagte Geschäfte bzw risikoreichere Aktivitäten und Investments zu tätigen, per se nicht ausgeschlossen ist, allerdings muss ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab angewandt werden. Dies gilt insbesondere auch für Veranlagungsentscheidungen, die zwangsläufig zum Teil auf ungewissen Annahmen und Vermutungen über zukünftige Entwicklungen und Ereignisse basieren. Genauso gilt dies auch für Entscheidungen in Krisenzeiten, in denen sich Marktentwicklung und Wirtschaftslage im Voraus schwer bis gar nicht einschätzen, abschätzen oder planen lassen. Allerdings dürfen weder der Fortbestand der Stiftung noch die Erfüllung des Stiftungszwecks durch solche Entscheidungen gefährdet werden.

4. Haftung

4.1. Haftung aufgrund einer Pflichtverletzung

Grundsätzlich haftet jedes Mitglied eines Stiftungsvorstands gem § 29 PSG gegenüber der Privatstiftung für den aus seiner schuldhaften Pflichtverletzung entstandenen Schaden. Diese Bestimmung ist zwingend. Das bedeutet, die Haftung kann in der Stiftungsurkunde nicht eingeschränkt, aber erweitert werden.

Die Mitglieder des Stiftungsvorstandes haften somit höchstpersönlich, aber nur bei Verschulden. Dies bedeutet, dass das Vorstandsmitglied auch bei nur leichter Fahrlässigkeit zum Ersatz des von ihm herbeigeführten Schadens verpflichtet ist. Allerdings wird keine Erfolgshaftung begründet. Allgemein zu beachten ist, dass bezüglich des Verschuldens Beweislastumkehr angenommen wird und sich die Vorstandsmitglieder freibeweisen müssen. Ob ein Mitglied des Stiftungsvorstandes pflichtwidrig gehandelt hat, richtet sich – mangels eines entsprechenden Haftungsmaßstabes in § 29 PSG – nach § 17 PSG sowie dem entsprechenden Sorgfaltsmaßstab. Gehaftet wird gegenüber der Privatstiftung selbst, für den ihr zugefügten Schaden. Allerdings ist dem Vorstand bei gewagten Geschäften insbesondere auch dann kein Vorwurf zu machen, wenn bei beim Geschäftsabschluss, ungeachtet des bestehenden Risikos, nach sorgfältiger Prüfung, begründeter Weise ein entsprechender Geschäftserfolg erwartet werden konnte.

Nach herrschender Auffassung verjährt der Anspruch auf Schadenersatz gem den allgemeinen Verjährungsbestimmungen des ABGB (dh drei Jahre ab Kenntnis von Schaden und Schädiger).

4.2. Stiftungsrechtlicher Gläubigerschutz: Zuwendungssperre des § 17 Abs 2 PSG

Gem § 17 Abs 2 PSG darf der Stiftungsvorstand Leistungen an Begünstigte zur Erfüllung des Stiftungszweckes nur dann und soweit vornehmen, wenn dadurch Ansprüche von Gläubigern der Privatstiftung nicht geschmälert werden. Der § 17 Abs 2 PSG (als Schutzgesetz iS des § 1311 ABGB) begründet eine unmittelbare Haftung gegenüber Gläubigern. Diese können somit von den schuldhaft handelnden Mitgliedern des Stiftungsvorstandes bei Verletzung des § 17 Abs 2 PSG direkt Schadenersatz verlangen.

4.3. Sonstige Haftungsbestimmungen

Neben den aufgezeigten Haftungsbestimmungen begründen insbesondere auch abgabenrechtliche Bestimmungen (unmittelbare abgabenrechtliche Ausfallshaftung nach § 9 BAO) sowie sozialversicherungsrechtliche Bestimmungen (Haftung für Beiträge gem § 67 Abs 10 ASVG) eine direkte Haftung des Stiftungsvorstandes. Zu beachten sind darüber hinaus auch die Konkursantragsstellungspflicht bzw § 159 StGB (grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen).

5. Tipps

Zwar kann eine Haftung des Stiftungsvorstandes nie ausdrücklich ausgeschlossen werden, es gibt aber verschiedene Instrumente die in der Praxis hilfreich sind: So stellt zwar eine Entlastung (zB durch den Beirat oder die Begünstigten) keine Haftungsbefreiung dar, kann aber in einem Prozess hinsichtlich des fehlenden Verschuldens Indizienwirkung haben. Auch der Abschluss einer Haftpflichtversicherung für Stiftungsvorstände bietet gewisse Sicherheit. Um Risiken zu vermeiden, sollten Stiftungsvorstände zusätzlich stets prüfen, ob alle Stiftungsorgane ordnungsgemäß bestellt sind (zB Stiftungsvorstand) und ob ausreichende Kontroll- oder Informationssysteme festlegt wurden.