Investitionsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof

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Investitionsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof

Dienstag, 13 März, 2018

Europäischer Gerichtshof erklärt Schiedsklauseln in bilateralen Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Staaten für unzulässig.

In einer jüngsten Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof in einem zur Zahl C-284/16 anhängigen Verfahren eine Schiedsklausel in einem bilateralen Handelsabkommen zwischen den Niederlanden und der Slowakei für ungültig erachtet. Das niederländische Unternehmen Achmea, das private Krankenversicherungen anbietet, hatte zuvor die Slowakei in einem Schiedsverfahren geklagt. Im Jahr 2004 eröffnete die Slowakei ihren Markt für die Anbieter von privaten Krankenversicherungen und so erhielt auch das niederländische Unternehmen Achmea eine Zulassung, private Krankenversicherungen in der Slowakei zu verkaufen. Diese Liberalisierung im Bereich des privaten Versicherungswesens wurde jedoch in der weiteren Folge zurückgenommen und der privaten Krankenversicherung wurde gesetzlich untersagt, Gewinne auszuschütten. Aufgrund dieser Regulierung behauptete Achmea einen Schaden in einer zweistelligen Millionenhöhe erlitten zu haben und klagte die Slowakei vor einem Schiedsgericht.

Grundlage für die Anrufung des Schiedsgerichts durch das niederländische Unternehmen Achmea war das zwischen den Niederlanden und der ehemaligen Tschechoslowakei im Jahr 1991 abgeschlossene bilaterale Investitionsschutzabkommen. Nach der Teilung der Tschechoslowakei übernahm die Slowakei als Rechtsnachfolger auch die Wirkung dieses bilateralen Investitionsschutzabkommens mit den Niederlanden. In dem Abkommen fand sich die gängige Klausel, dass Streitigkeiten zwischen einem Investor und einem Unternehmen der beteiligten Staaten vor einem Schiedsgericht ausgetragen werden können. Dementsprechend rief das niederländische Unternehmen Achmea auch das Schiedsgericht nach dem bilateralen Investitionsschutz an, wobei die Slowakei die Zuständigkeit des Schiedsgerichts bestritt. Die Slowakei begründete die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts im Wesentlichen damit, dass seit dem Beitritt der Slowakei zur Europäischen Union eine Klausel nach einem bilateralen Investitionsschutzabkommen, dass eine Streitigkeit zwischen einem Unternehmen und einem Staat als Partei des Abkommens nicht mehr gültig sei, da aufgrund der Regelungen zum Binnenmarkt der Europäischen Union derartige Streitigkeiten vor den staatlichen Gerichten auszutragen seien. Der Fall ging durch alle Instanzen und wurde schließlich vor den Europäischen Gerichtshof gebracht. Der Europäische Gerichtshof erklärte nunmehr in seinem Urteil, dass die Autonomie des Unionsrechtes einem bilateralen Investitionsschutzabkommen und der darin vielfach enthaltenen Klauseln für die Einrichtung eines Schiedsgerichtes zwischen Unternehmen und Staaten einander ausschließen würden. Ein derartiger Ausschluss gilt allerdings nur für Streitigkeiten gegenüber Staaten, nicht für die Einrichtung von Schiedsverfahren zwischen Unternehmen.

Derzeit bestehen noch rund zweihundert bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen den verschiedenen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Und nach vorsichtigen Schätzungen sind derzeit ungefähr 150 Verfahren vor Schiedsgerichten anhängig, in denen die EU-Staaten als eine der Parteien an den Verfahren beteiligt sind. Die nunmehr erlassene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes im Fall Achmea gegen die Slowakei könnte daher weitreichende Folgen für die anhängigen Schiedsverfahren haben.

Zu unterscheiden von der Argumentation des Europäischen Gerichtshofes sind bilaterale Handelsabkommen außerhalb der Europäischen Union, wie etwa das vor Kurzem abgeschlossene Handelsabkommen CETA zwischen der Europäischen Union und Kanada. In derartigen internationalen Handelsabkommen gibt es mangels eines einheitlichen Rechtsgebietes keine mit dem Europäischen Gerichtshof vergleichbare Institution eines Höchstgerichtes, sodass bei solchen internationalen Handelsabkommen die vielfach darin enthaltenen Investitionsschutzabkommen mit einer Zuständigkeitsregelung für Schiedsgerichte von den Argumenten des Europäischen Gerichtshofes nicht betroffen sind. Das neue Urteil des Europäischen Gerichtshofes unterstreicht das Bestreben der Europäischen Union generell, die gemeinsam errichteten Institutionen als abschließende Rechtssetzungs- und Rechtssprechungsinstanzen zu etablieren und somit auch die Autorität des Europäischen Gerichtshofes für sämtliche Streitigkeiten zwischen Unternehmen in Europa und europäischen Mitgliedsstaaten nach dem Unionsrecht zu unterstreichen.

Dr Christoph Kerres LLM (Georgetown)

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