Neues OGH Urteil zu Differenzschaden bei Anlegerprozessen
Neues OGH Urteil zu Differenzschaden bei Anlegerprozessen
In einer jüngsten Entscheidung differenziert der OGH (4 Ob 19/12s) die bisherige Rechtsprechung zur Ermittlung des Differenzschadens. Die Bemessung des Differenzschaden ist bei Anlegerprozessen wesentlich, da dem unrichtig beratenen Anleger regelmässig nur jener Schaden zu ersetzen ist, den dieser durch eine Fehlberatung erlitten hat. Die Gerichte fragen daher regelmässig nach, welche Form der Veranlagung der Anleger gewählt hätte, wenn er von dem Berater richtig, vollständig und professionell beraten worden wäre. Hätte der Anleger etwa in andere riskante Wertpapiere investieren wollen, so ist nur die Differenz aus dem möglichen Verlust eines Wertpapieres im Vergleich mit dem anderen Wertpapier als Differenzschaden zuzusprechen.
Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Schaden bei fehlerhafter Anlageberatung daher durch Differenzrechnung zu ermitteln, bei der der tatsächliche Vermögensstand jenem gegenüberzustellen ist, der sich bei korrekter Beratung ergeben hätte (4 Ob 62/11p; RIS-Justiz RS0108267). In einer anderen Entscheidung hat der Obersten Gerichtshofs bei der Ermittlung des Schadens auf die ohne Fehlberatung gewählte Alternativanlage abgestellt, weil nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden könne, dass der Anleger bei richtiger Beratung eine völlig risikolose Veranlagung vorgenommen hätte; für die Höhe des Schadenersatzes seien daher Veräußerungserlös und Kurs der Alternativanlage entscheidend (6 Ob 231/10d; 4 Ob 28/10m). Diese Argumente treffen aber nur unter der Voraussetzung zu, dass der Anleger bei korrekter Beratung überhaupt veranlagt hätte. Mag dies auch bei einem vorgefassten Anlageentschluss regelmäßig der Fall sein, so hat eine Berechnung des Schadens nach der Differenzmethode dann zu unterbleiben, wenn der Anleger die Wertpapiere verkaufen wollte und keine Umschichtung oder Neuinvestition in andere Wertpapiere beabsichtigt hat.
Die Frage des hypothetischen Verhaltens des Anlegers bei Vorliegen von Entscheidungsalternativen ist auf den Zeitpunkt der Anlageentscheidung zu beziehen (vgl P. Bydlinski, ÖBA 2008, 159 [168]). Es ist zu fragen, wie der Anleger bei richtiger Beratung disponiert hätte. Im gegenständlichen Fall wäre die Disposition des Anlegers im Verkauf der Immobilienaktien der Immofinanz und Immoeast bei der Constantia Privatbank gelegen. Der Anleger suchte den Geschäftsführer der Constantia Privatbank in eben der Absicht auf, seine Wertpapiere zu veräußern. Die schadensauslösende Pflichtwidrigkeit der beklagten Constantia Privatbank lag nicht in einer Fehlberatung anlässlich einer Anlageentscheidung, die den Anleger veranlasst hätte, ein „falsches“ statt ein „richtiges“ Wertpapier zu erwerben, sondern in der Fehlberatung anlässlich des vom Anlegers beabsichtigten Verkaufs der Wertpapiere, die ihn zum Behalten derselben veranlasste. Rechtmäßiges Verhalten der Constantia Privatbank, also eine richtige und damit ehrliche, redliche und professionelle Beratung hätte dazu geführt, dass der Anleger die gegenständlichen Immobilienaktien sofort verkauft hätte. Der zu beurteilende Fall war daher von jenen zu unterscheiden, die davon ausgehen, dass der Berater den Verkaufserlös für den Anleger wieder veranlagt hätte (vgl 4 Ob 28/10m).