Vorzeitige Auflösung von Lebensversicherungen im Falle von unrichtiger Belehrung des Kunden
Vorzeitige Auflösung von Lebensversicherungen im Falle von unrichtiger Belehrung des Kunden
1. Einleitung
In den letzten Wochen berichteten verschiedenste Printmedien vermehrt über juristische Auseinandersetzungen zwischen Versicherungskonzernen und Versicherungsnehmern im Zusammenhang mit einer unrichtigen Belehrung der Versicherungsnehmer über die Frist, innerhalb welcher von einem bereits abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag zurückgetreten werden kann. In mehreren zehntausend Fällen in ganz Österreich soll dabei die Rechtsbelehrung der Versicherungsnehmer über die Rücktrittsfrist bei Lebensversicherungen beim Abschluss der Versicherungen unrichtig gewesen sein.
2. Rechtslage
Gemäß § 165a Abs 1 VersVG hat der Versicherungsnehmer das Recht, binnen 30 Tagen nach seiner Verständigung vom Zustandekommen des Versicherungsvertrags von diesem zurückzutreten. Im Gegensatz dazu ist in vielen Versicherungsverträgen eine Rücktrittsfrist von lediglich 14 Tagen enthalten. Welche Rechtsfolgen leiten sich nun aber aus einer fehlerhaften Belehrung über die Rücktrittsfrist ab bzw wie muss diese Belehrung aussehen?
3. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes
Der EuGH entschied in der Rechtssache Endress/Allianz,[1] dass der Versicherungsnehmer über sein Rücktrittsrecht bei Abschluss einer Lebensversicherung genau belehrt werden muss. Gegen diese Verpflichtung wird sowohl bei keiner, als auch bei fehlerhafter Belehrung verstoßen. Eine fehlerhafte Belehrung führt dazu, dass die Frist zum Rücktritt aus der Lebensversicherung nicht zu laufen beginnt und somit ein Rücktritt auch nachträglich noch immer möglich wäre.
So entschied auch der Oberste Gerichtshof,[2] indem er dem Versicherungsnehmer ein unbefristetes Rücktrittsrecht gewährte, wenn über das Rücktrittsrecht fehlerhaft aufgeklärt wurde. Nach § 5b VersVG hat der Versicherer für den Fall, dass der Versicherungsnehmer seine Vertragserklärung dem Versicherer oder seinem Beauftragten persönlich abgibt, dem Versicherungsnehmer unverzüglich eine Kopie dieser Vertragserklärung auszuhändigen. Zudem ist das Versicherungsunternehmen nach § 252 Abs 1 Z 6 VAG 2016 (Versicherungsaufsichtsgesetz) verpflichtet, den Versicherungsnehmer bei Vertragsabschluss schriftlich über die Umstände zu informieren, unter denen der Versicherungsnehmer den Abschluss des Versicherungsvertrages widerrufen oder von diesem zurücktreten kann.
Ist nun eine solche Belehrung zwar erfolgt, war diese aber aufgrund der Angabe der falschen Rücktrittsfrist falsch, so führt dies nach den beiden oben zitierten Entscheidungen nun dazu, dass Versicherungsnehmer, auch heute noch vom abgeschlossenen Versicherungsvertrag zurücktreten können. Ob dies wirtschaftlich sinnvoll ist, ist dabei im Einzelfall zu prüfen. Aus Sicht der Versicherungsnehmer bestehen derzeit gute Argumente dafür, dass diese bei einem Rücktritt von ihrem Versicherungsvertrag zumindest den in die Lebensversicherung einbezahlten Betrag zurückerhalten. Bei allen Versicherungsverträgen, bei welchen am Ende der Laufzeit aufgrund der derzeitigen Niedrigzinspolitik weniger als der einbezahlte Betrag ausbezahlt werden wird, würde sich somit ein Rücktritt vom Vertrag wahrscheinlich lohnen.
Das Handelsgericht Wien hat in einer seiner jüngsten Entscheidungen zudem ausgesprochen, dass ein Versicherungsnehmer, welcher von seinem Rücktrittsrecht aufgrund falscher Belehrung über die Rücktrittsfrist Jahre nach dem Abschluss seiner Lebensversicherung Gebrauch machte, die gesamte in die Lebensversicherung einbezahlte Summe samt 4 % Zinsen zurückbekommt. Diese Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig und es ist davon auszugehen, dass diese jedenfalls beim Oberlandesgericht Wien bekämpft werden wird.
Die Versicherungskonzerne argumentieren derzeit nämlich, dass bei einem nachträglichen Rücktritt aufgrund falscher Belehrung über die Rücktrittsfrist nur ein Anspruch auf den sogenannten Rückkaufswert besteht. Dabei handelt es sich zusammengefasst um den einbezahlten Betrag abzüglich der Versicherungssteuer und die einzelnen Gebühren. Dieser Betrag ist in der Regel deutlich niedriger als der in die Lebensversicherung einbezahlte Betrag. Welche Argumentationslinie im Endeffekt erfolgreich ist, wird sich zeigen.
Gerne berät Sie KERRES | PARTNERS ob bei Ihrem Lebensversicherungsvertrag ein Rücktritt unter den oben genannten Voraussetzungen möglich ist und verhandelt die Rücktrittsbedingungen (den allfälligen Auszahlungsbetrag) mit dem jeweiligen Versicherungsunternehmen.